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Die gelöschte Welt

Die gelöschte Welt

Titel: Die gelöschte Welt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nick Harkaway
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die, dass ich das, was ich tat, aus dem Augenblick heraus tat. Ich stieß ganz plötzlich darauf, und so schnitt ich ihn auf und rettete Dora, weil sie alles war, was ich hatte. Ich tötete meinen Freund, weil ich Angst hatte und schockiert war und weil er etwas angegriffen hatte, das ich liebte. Tja, das ist die eine Seite. Aber das hier ist was anderes, das ist eine ganz andere Sache. Die reden über andere Leute – über Leute wie Pascal – und darüber, ihre Häuser zu zerquetschen und die Bewohner irgendwelchen Wissenschaftlern zu übergeben. Also denen, die das hier überhaupt erst angerichtet haben – nicht, dass wir ihnen nicht alle geholfen hätten, das sollten wir nicht vergessen –, und das alles nur, weil wir Angst haben. Ich weiß nicht, wie es euch geht«, sagt Larry Tusk, »aber ich möchte nicht so jemand sein, und ich will auch nicht, dass jemand so was in meinem Namen tut. Ich will nicht eine Hälfte meines Lebens Angst haben und mich in der zweiten Hälfte schämen.« Bevor er sich wieder setzen kann, kläfft Dora kräftig ins Megafon, woraufhin sich Jubelrufe erheben, dass die Wände wackeln. Nun regt sich Dora aber erst recht auf und bellt noch einige Male. Voller Empörung wird die Resolution hinausgetragen. Die Piper 90 wird sich nicht zu so etwas herablassen. Heute nicht und niemals. Nein, nein, nein. So beginnen im Grunde alle Revolutionen.
    Ich sehe mich nach Zaher Bey um, kann ihn aber nicht finden. Dies ist sein Sieg, unser Sieg. Aber vielleicht halten er und die Katiris eine eigene Feier ab, oder sie arbeiten an irgendetwas. Jedenfalls verwandelt sich das offene Treffen in eine Party (morgen hat niemand Arbeit), und dann spüre ich eine kühle Hand auf der Schulter. Leah küsst mich auf die Wange, sie ist stolz auf mich. Ich kann etwas bewirken.
     
    Fust und van Meents brauchen dreißig Stunden, um von irgendwo eine Truppe Streikbrecher zu holen. Wir blockieren und behindern sie, wir stellen uns vor sie und zwingen sie, vor der Piper 90 einherzuschleichen. Falls es zu Kämpfen kommen sollte, werden wir nicht damit beginnen. Auf unserer Karte ist am Rande des Waldes eine rote Linie gezogen. Wenn sie dort an uns vorbeiwollen, wird es eine üble Wendung nehmen. Ich fasse auf einer Seite Leah und auf der anderen Seite Annie den Ochsen an der Hand. Wir bilden eine Menschenkette, wir werden nicht zerbrechen. Wenn wir standhaft bleiben, müssen sie uns überrollen, falls sie wirklich durchbrechen wollen. Dabei widersprechen Vasilles verborgener Panzer und die kleine Auswahl von Sprengkörpern, die wir hinter uns ausgelegt haben, unserem Pazifismus ein wenig. Das Streikkomitee ist sehr für gewaltfreien Widerstand, aber Pazifismus ist schwierig, wenn die feindlichen Soldaten nur für einen kurzen, einmaligen Einsatz hergeschickt werden. Sie überrollen einen einfach und entschuldigen sich hinterher, wenn sie fertig sind. Passiver Widerstand ist auf lange Sicht ein Spiel, das Opfer mit sich bringt. Außerdem wirkt es vor allem gegen Menschen, aber nicht gegen Maschinen.
    Der Anführer der Streikbrecher ist noch hundert Meter entfernt und nähert sich rasch, als Tobemory Trent mit fröhlichem Grinsen aus dem Wald auftaucht.
    »Lasst sie durch«, sagt er.
    Wir starren ihn an. Trent kann sich vor Lachen kaum noch beherrschen.
    »Im Ernst, lasst sie durch. Es ist schon in Ordnung.« Wir tun es, drehen uns um und gehen mit den Vernichtern zum Dorf. Als wir die Palisade erreichen, verstehen wir, warum er gelacht hat.
    Auf dem Hauptplatz und überall in der Nahe gibt es Spuren. Abdrücke von schweren Stämmen, die geschleppt wurden, und von Rädern. Durchdrehende Reifen haben Gummi hinterlassen. Hinten im Dorf ist ein breiter, unbefestigter Weg entstanden, der in die irreale Welt da draußen führt, wo wir nicht hingehen werden. Es kommt mir sehr bekannt vor. Eine Armee hat mit kleinen Stadtautos das Dorf evakuiert, es war perfekt koordiniert und ging sehr schnell. Ich sehe vor meinem inneren Auge das Durcheinander von Farben und das dunkle Burgunderrot des Rolls-Royce zwischen den Subarus und Skodas und höre förmlich den fröhlichen Gesang der Piraten und ihres Anführers, während sie die gefundenen Tausend unter den Augen des Systems stehlen. Fust und van Meents trampeln wütend durch die zurückgebliebenen Trümmer. Sie suchen jemanden, den sie anbrüllen oder haftbar machen können. Nicht rational, aber vorhersehbar. Die meisten Leute würden ebenso reagieren wie sie.
    »Da drin«, sagt

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