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Die gelöschte Welt

Die gelöschte Welt

Titel: Die gelöschte Welt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nick Harkaway
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quer vor sich halten wird. Meine Möglichkeiten sind dagegen begrenzt. Keine Glücksspiele, das Haus gewinnt immer.
    Dies ist mein Haus.
    Ich trete zurück, stoße mich von der Kante der Anrichte ab und packe den Türrahmen. So fliege ich kopfhoch und mit den Füßen voran durch die Tür, die Arme wirken wie ein Scharnier, meine Haare streifen dicht unter dem Türsturz entlang. Der Imker ist ganz schwarz gekleidet und mit Pollen bedeckt, weil er an den Spalieren des alten Lubitsch zum oberen Fenster hochgeklettert ist. Er hat eine gefährlich aussehende Waffe mit schnabelähnlichen Klingen an beiden Enden. Meine Füße sausen darüber hinweg und treffen seine Brust. Er taumelt. Ich komme falsch auf und versuche, mich abzurollen und wieder in die Küche zu fliehen. Der Ninja richtet sich wieder auf und dreht sich rasend schnell um sich selbst. Wenn ich nur ein paar Tupperdosen hätte. In der Küche muss es welche geben. Aber zu weit weg.
    Verdammt.
    Er tötet mich nicht, weil er nicht weiß, wie atemlos ich nach dem Sturz auf den ledernen Schirmständer des alten Lubitsch bin. So trifft das stumpfe Ende seiner Waffe nur meine Schulter. Weißes Licht, Schmerzen. Idiot. Du kämpfst wie Gonzo. Ich bin nicht sicher, wessen Stimme das ist, aber sie hat Recht.
    Der Ninja protzt mit seiner schnabelähnlichen Waffe und hackt nach mir. Ich rolle mich ab. Einen Arm kann ich nicht mehr gebrauchen. Er ist zwar nicht gebrochen, aber betäubt. Also nur die linke Hand. Langsam. Entspann dich. Er ist stark, aber ich bin geschickt. Der einzige Feind ist falsches Timing. Die einzige Gefahr ist die Furcht. Meister Wus Garten, endlose Übungsstunden. Elisabeth Soames' wortloses Lob, als sie mich aus dem Fischteich zieht. Die Waffe zuckt blitzschnell. Ich mache einen Schritt, kein Körperteil ist abgetrennt. Das Ding wirbelt klappernd zu einer Seite. Ich dresche dem Ninja meinen Ellenbogen auf die Nase. Er schlägt zurück. Wir kollern in den Garten hinaus. Echte Kämpfe sind ohne Würde. Nur wahre Meister schaffen es, sie mühelos aussehen zu lassen, aber dazu zähle ich nicht. Er sticht mich ins Auge. Meister Wu wäre enttäuscht. So geht das nicht. Ich finde nicht den ruhigen Ort in meinem Kopf, von dem aus ich kämpfen kann. Aber schließlich ist es ja auch das erste Mal.
    Der Ninja trifft mich noch einmal, kommt wieder auf die Beine und sucht sich die richtige Position, während er sich überlegt, wie er mich am besten töten kann. Dann ertönt ein bemerkenswertes Geräusch: PENG-WATSCH-KNACK.
    Der Ninja bleibt völlig reglos stehen und gibt ein kleines, trauriges Geräusch von sich, das fast wie ein kindlicher Vorwurf klingt. Dann fällt er vorwärts aufs Gesicht. Ike Thermite steht mit einem Stück Holz in der Hand hinter ihm. Es sieht wie ein Zaunpfahl aus.
    »War das richtig?«, sagt Ike. »Er hat dich angegriffen, also habe ich ihn niedergeschlagen.« Er schwenkt den Balken, in dem noch ein paar Nägel stecken. Am Haus sind überzählige Zaunpfähle gestapelt, die jederzeit eingesetzt werden können. Wahrscheinlich hatte der alte Lubitsch nicht diesen Verwendungszweck im Sinn. »Ist das in Ordnung?«, fragt Ike Thermite. »Ich wollte ihn nur bewusstlos schlagen.«
    Der Ninja hat zwei große Löcher im Hinterkopf, aus denen etwas Weißliches quillt. Er zittert.
    »Ich hab die Pfosten gesehen«, fährt Ike Thermite fröhlich fort. »Meine Güte, da liegen so viele Pfosten, und ich konnte mich nicht entscheiden, welchen ich nehme. Dann dachte ich, was für ein Unsinn, es kommt doch wirklich nicht darauf an. Aber vielleicht doch. Ja? Weil in diesem hier Nägel stecken …«
    Der Ninja bewegt sich nicht mehr. Es riecht stark nach Blut.
    »Oh, du meine Güte«, sagt Ike Thermite. Etwas Gehirnmasse ist auf seinen Schuhen gelandet. »Wie unangenehm.« Er lässt den Pfosten fallen und wird ohnmächtig.
    Ein Spezialist für komische Auftritte hat mir das Leben gerettet. Das ist übel. Leider ist es noch nicht mal das Schlimmste. Das Schlimmste ist nämlich, dass der Tote fünf Freunde oder Kollegen hat, die zwischen den Azaleen stehen.
    Ma Lubitsch kippt einen Eimer voll parfümierter Möbelpolitur aus dem Wohnzimmerfenster. Das meiste trifft Ike Thermite, eine kräftige Dosis erreicht auch mich. Wenn das ein Versuch war, Ike zu wecken und seine gefürchteten schauspielerischen Fähigkeiten zum Tragen zu bringen, dann ist er gescheitert. Ike ist und bleibt bewusstlos. Nektar pappt auf meinen Hosen. Wenn es jetzt zu einem Kampf kommt –

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