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Die Geometrie der Wolken

Die Geometrie der Wolken

Titel: Die Geometrie der Wolken Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Giles Foden
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ich dort war. Die Einladung hatte mich am Tag zuvor erreicht. Ein Kradmelder war in die Gärten von Kew gebraust gekommen, wo ich gerade einen Wetterballon vorbereitete. Mir wurde ein dünner, blauer Umschlag mit dem Aufdruck EILT überreicht. Er enthielt den Befehl, mich am nächsten Tag um drei Uhr nachmittags im Adastral House zu melden.
    Als ich in die Londoner Innenstadt kam, fielen mir wie immer die Sperrballons über der Stadt auf: Sie waren silberfarben, zwanzig Meter lang und schwebten an Stahlseilen etwa achthundert Meter über der Skyline. Außerdem war die Stadt voller Sandsäcke und Anderson-Luftschutzunterkünfte aus Wellblech.
    Sir Peter gab mir die Hand. Er hatte ein langes, blasses Gesicht mit hervorstehender Oberlippe, der irgendwie ein Schnurrbart fehlte. Auf seiner Weste funkelte die Kette einer Taschenuhr, die das Licht eines Feuers reflektierte, das unter einem marmornen Kaminsims schwach flackerte. Der Kamin war mit Krümelgrus befüllt, einer bräunlichen, grobkörnigen Art Kohle, die dafür geschätzt wurde, dass sie sehr langsam brannte. Wie so viele andere Dinge ist er heute vergessen, aber er war genau das, wonach er sich anhörte: Grus (Kohlenstaub) mit festen Kohlekrümeln.
    Mein Blick kehrte zu Sir Peter zurück. Alles in allem war er, was meine Mutter einen »anständigen Mann« genannt hätte, nur dass er leichenblass war - als würde er jede Nacht von Vampiren seines Blutes beraubt.
    Im lauwarmen Badewasser liegend, betrachtete ich den tropfenden Wasserhahn, während ich mich an Sir Peters Gesichtszüge und seine Worte erinnerte. »Willkommen«, sagte er. »Schön, dass Sie so kurzfristig hier sein können.«
    Während ich mich ihm gegenüber an den Schreibtisch setzte, wies er Miss Clements über eine Sprechanlage an, dass wir nicht gestört werden sollten. Dann hörte ich ein lautes
Dong!
Der Raum stand voller antiker Uhren, und sie alle schlugen etwas asynchron zur vollen Stunde.
    Als der Lärm vorüber war, sprach Vaward. »Sie fragen sich wahrscheinlich, warum ich Sie herbestellt habe.« Eine große Standuhr mit einem Mondgesicht gab ein letztes
Plink
von sich. Er hielt inne und musterte mich eingehend. »Bevor wir anfangen, muss ich Sie bitten, das hier zu unterschreiben.«
    Er schob ein Blatt Papier über den Tisch. Es trug den großen roten Stempel GEHEIM und begann mit den Worten
    »Ich, , erkläre hiermit...«
    Das war etwas Neues. Bisher war meine Aufgabe in diesem Krieg gewesen, Ballons mit kleinen Funksendern - Radiosonden oder »Globs«, wie wir sie nannten - in die höheren Luftschichten aufsteigen zu lassen, um Luftdruck, Temperatur und Luftfeuchtigkeit zu messen. Sie wurden zur Wettervorhersage verwendet. Wetter als Satz veränderlicher Bedingungen. Wetter als Übergang zwischen verschiedenen Zuständen. Wetter als das, was war - ist - sein wird. Wetter als Informationsquelle.
    Aber diese Information ist vergänglich und hält nicht länger als die Struktur, auf die sie verweist, genau wie das Badewasser, in dem ich saß, als ich mich an all das erinnerte, nicht mehr
mein
Badewasser sein würde, wenn ich es durch den Abfluss laufen ließ. Aber vielleicht sollte man sich Wasser ohnehin nicht als etwas vorstellen, das man besitzen kann.
    Ich hatte diese Ballons oft bei Gewitter aufsteigen lassen und dabei im unbequemen Ölzeug geschwitzt. Auch an der sogenannten Freiballon-Barrage hatte ich mitgearbeitet, was spannender war. Dabei ließ man kleine Wasserstoffballons steigen, die Kabel mit Mini-Bomben am Ende hinter sich herzogen. Sie sollten in ungefähr 6000 Meter Höhe schweben und eine Art Luftminenfeld für unvorsichtige deutsche Bomber darstellen. Es gab keine Hinweise, dass jemals ein feindliches Flugzeug mit einem Teil der Barrage kollidierte, doch wurden mehrfach mutmaßliche Ausweichmanöver deutscher Piloten beobachtet, vielleicht haben wir ihnen also den einen oder anderen Schrecken eingejagt.
    Außer dieser Arbeit war ich nur rein wissenschaftlich tätig gewesen, also machten mich Sir Peters ungewisse Pläne ziemlich nervös.
    »Ich gehe davon aus, dass Sie nichts dagegen haben, diese offizielle Geheimhaltungserklärung zu unterschreiben«, sagte er, während ich das Dokument vor mir studierte. »Es ist eine reine Formalität, bevor wir zur Sache kommen.«
    Mir wurde flau im Magen. »Habe ich in Kew etwas falsch gemacht, Sir?«, fragte ich.
    »Ganz und gar nicht. Das ist auch eine der Sachen, die ich mit Ihnen besprechen wollte. Wir lösen die Abteilung in

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