Die Geometrie der Wolken
also bekam ich ihn nicht oft zu sehen.
Krick begründete mehr oder weniger die neue kommerzielle Wetterindustrie, wie er es in der Pokerrunde schon angedeutet hatte. Er verkaufte seine Dienste an Baumwollbauern, die wissen wollten, wie die Ernte ausfallen würde. An die Edison Company, denen Stürme zu schaffen machten, die Hochspannungsleitungen beschädigten. An die California Division of Highways, die sich Sorgen über Schnee in den Bergen machte. Die Brooklyn Dodgers, die wissen wollten, ob sie für ein wichtiges Spiel eine Regenversicherung brauchten. Die Forstwirtschaft, Obstbauern, Betreiber von Wasserkraftwerken...
Diese und noch viele andere gehörten zu seinen Kunden. Er war der Meteorologe für die Winterolympiade 1960 und im Jahr darauf für die Vereidigung von Präsident Kennedy. Aber sein größtes Geschäft war der künstliche Regen, für den er Chemikalien, meistens Silberiodid oder Trockeneis, in die Wolken »einimpfte«, um Niederschlag auszulösen.
Krick stieg in dieses auch heute noch umstrittene Geschäft im großen Stil ein und verkaufte Tausende von bodengestützten Generatoren an Bauern überall in den Vereinigten Staaten. Diese Maschinen, die Kristalle in den störrischen Himmel schössen, wurden alle über Funk von einem Komplex in Palm Springs, Kalifornien, gesteuert, wo Krick auch heute noch in einer Villa im maurischen Stil im Schatten des Mount San Jacinto lebt.
Ich habe ihn dort einmal besucht - das Haus hat Marmorböden -, und er war sehr gastfreundlich und servierte Frozen Margaritas. Aber für das US Weather Bureau wurde er bald ein Reizthema. Es gab Anschuldigungen, er sei ein Scharlatan und Betrüger. Ich verstand mich aber immer gut mit ihm, und ich sprach nie das eine Thema an, das meinen Kollegen Sorge bereitete: Möglicherweise war er die Quelle des Gerüchts gewesen, das bis heute in den USA kursierte, dass die britischen Meteorologen mit ihren Vorhersagen für Overlord »versagt« hätten - und dass der D-Day von Krick selbst gerettet worden sei. Erstaunlicherweise behauptete er sogar, es wäre besser gewesen, doch einen Tag früher anzugreifen. Ich sah darüber hinweg.
Diese außerordentliche Zukunft lag vor meinen Pokergegnern. Ich trank viel mehr als ich sollte und verlor mehr Geld, als ich mir leisten konnte. Irgendwann in den frühen Morgenstunden torkelte ich mit halbgeleertem Portemonnaie und offenen Schnürsenkeln Richtung Bett und stieg unsicher eine Treppe hinauf, deren Stufen auf frustrierende Weise neu angeordnet schienen, bevor ich mich in einem Labyrinth aus zusammenhängenden, mit tückischen Teppichen ausgelegten Gängen und Mopp-, Eimer- und Heizungsrohrverstecken verlief. Ich muss wohl im Laufe des langen Nachmittags, der in den Abend mündete, ein Zimmer gebucht und es schließlich auch gefunden haben, aber ich kann mich an nichts davon erinnern.
3.
Die Laken und Decken raffiniert um mich geschlungen und nur halb ausgezogen, wachte ich in einem Strudel von Übelkeit und Reue auf - den üblichen Begleiterscheinungen eines Katers. Sehr bald waren aber auch diese beiden alten Freunde außer Gefecht, gefesselt von einem überwältigenden Schuldgefühl, diesem noch viel älteren Freund. Wie dumm es war, Gehirnzellen an Whisky und Karten zu verschwenden, besonders da ich noch die Weiterreise vor mir und so wichtige Arbeit zu tun hatte. Was hätte Sir Peter Vaward wohl zu einem solchen Verhalten gesagt?
Ich ließ mir ein Bad ein, und während ich träge im Wasser lag, erinnerte ich mich an unsere erste Begegnung im Adastral House an der Ecke von Kingsway und Aldwych in London. Ich war per Telegramm von Kew einbestellt worden und stieg die Treppe hinauf in den dritten Stock, wo mich Miss Clements empfing, damals eine junge Sekretärin in einem Kaschmirpullover. Ich stand vor der hohen, eindrucksvoll vertäfelten Tür und wartete eine Zeitlang im »Vestibül«, wie sie es charmant lächelnd nannte. Manchmal versuche ich, sie im unruhigen Spiegel des Lebens wieder herzuzaubern - vor der nahenden Nacht, der Schwelle, bevor sich die Zeit um ihren Hals schlang.
Damals ließ ich sie vor Sir Peters Büro zurück. An der Wand hing ein großes Ölgemälde von Admiral FitzRoy, Darwins Kapitän auf der
Beagle
und dem ersten Direktor des Met Office. Er hatte Depressionen und brachte sich in seinem Bad mit einer Rasierklinge um. Ich will sie wiedersehen, diese schöne junge Frau, aber alles, was kommt, ist dieses verdammte Gemälde.
Ich hatte keine Ahnung, warum
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