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Die Geometrie der Wolken

Die Geometrie der Wolken

Titel: Die Geometrie der Wolken Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Giles Foden
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Lärm.
    Das Geräusch, das die Propeller großer Flugzeuge verursachen, ist eine Art Hämmern - als ob ein Riss in den Himmel geschlagen wird -, und genau das passierte ja auch, denn die Flügel des Propellers drücken die Luftmoleküle sehr schnell auseinander. Ein größerer Bruder desselben Prozesses ist der Donner, und genau den hörte ich damals. Zerhackten Donner. Luft, die zerteilt, gespalten, auseinandergerissen wird. Völlig umsonst, denn sofort strömen neue Moleküle herbei und füllen die Lücke.
    Die Schallwellen bewegten sich durch das hartnäckig zusammenhängende Medium der Atmosphäre und trafen geballt aufs Trommelfell. Auch die Außenhaut des Seglers schlug wie eine Ziegenfelltrommel. Sie pulsierte im Rhythmus der vielen Motoren, was sich auch auf das Zwerchfell übertrug, wovon mein Herz zu rasen anfing.
    Mit dem Licht, das durch die Außenhaut schien, und all den dunklen Gesichtern sitzender Männer erinnerte mich das Ganze an einen Abend am Lagerfeuer in der
Miombo-
Savanne am Rande des Nyasasees. Einmal klangen so viele Trommeln zusammen, dass die ganze Lichtung hallte, als hätte jeder Baum eine eigene Stimme.
    Es gab einen Ruck. Jemand jubelte. Wir nahmen hinter unserer Dakota auf der Piste Fahrt auf, wurden schneller und schneller, bis Sekunden nach dem Flugzeug auch unser Segler abhob und mit einer erhebenden, berauschenden Bewegung in die Höhe gezogen wurde. Das Geräusch der Luft, die über uns hinfauchte, war erstaunlich, als würde ein Riese einen konstanten Luftstrom über den Segler blasen.
    Mein Kopf schwitzte unter dem Helm und wurde abwechselnd heiß und kalt, wenn der Schweiß kam und wieder verdunstete. Ich versuchte, mir die relative Turbulenz um die Dakota und den Segler vorzustellen, und wie die Luftströmungen um die beiden sich gegenseitig beeinflussten, aber ich konnte mich nicht konzentrieren.
    Es kam mir vor, als würden wir eine Ewigkeit kreisen. Ich sah auf die Uhr.
    Es war endlich D-Day.
    01.00 Uhr.
    H-Hour minus 5.
     

6.
    Durch das Fenster sah ich Hunderte von Flugzeugen und Seglern, ihre Umrisse wie Gänse vor dem Mond. Eins nach dem anderen drehte ab und flog in Dreiecksformation in Richtung der Küste der Normandie. Ich spürte es im Gesicht, als unser Segler beschleunigte. Die Funkantennen bogen sich in der Kabine wie Getreide im Wind.
    Unter uns war der ganze Kanal mit Schiffen bedeckt, die im Mondlicht deutlich zu erkennen waren. Ich hatte noch nie so viele gesehen: Es sollten über sechstausend sein. Die deutschen Aufklärungsflugzeuge müssten sie doch eigentlich sehen. Jetzt war es sowieso zu spät. Wir brauchten den Mond, der für Niedrigwasser und gute Sicht für die Luftlandetruppen sorgte. Das war die Bedingung gewesen, die die Wahrscheinlichkeit für einen geeigneten Tag so sehr gedrückt hatte, erinnerte ich mich.
    Als ich hinunter in den silbernen Strom fahrender Schiffe sah und versuchte, das Wetter einzuschätzen, fand ich unsere Wettervorhersage bestätigt. Ich wusste damals nicht, dass die Bodenwindgeschwindigkeiten oberhalb des Maximalwerts lagen, den die Admiralität als Bedingung festgelegt hatte, dass das Meer rau und die Truppen seekrank waren und dass bei der Landung an den fünf Stränden noch viel Schlimmeres kommen sollte, wo noch höhere Wellen und stärkere Winde vorherrschten. Windböen bis 40 km/h, Windstärke 5 oder 6.
    Ich konnte in der Ferne das Donnern von Artillerie und Fliegerbomben hören und nahm an, dass das Bombardement begonnen hatte. Der Soldat zu meiner Rechten zog einen Dolch aus dem Stiefel und fing an, ein Stück Käse in Scheiben zu schneiden. Er bot mir eine an, aber ich konnte nichts essen. Links von mir packte Jourdaine eine Tafel Schokolade aus, deren Folie im schwachen Licht glitzerte. Auch die lehnte ich ab: Ich bereute schon den Kakao, weil mir übel war. Ich fragte mich, ob es noch jemandem so ging. Viele der Soldaten hielten die behelmten Köpfe schräg, als würden sie auf etwas horchen.
    Anfangs verlief der Flug überraschend ruhig - wir waren bei fast dreitausend Fuß, als uns die Dakota ausklinkte. Mit dem Sonnenaufgang wurde es hell in der Kabine, und dann verstand ich auch, worauf die anderen gehorcht hatten. Kanonenfeuer war zu hören. Rund um uns blitzten die dunkelbraunen Pilzwolken der Flaks auf.
    Jemand sagte: »Scheiße, jetzt geht's los.«
    »Ich will nach Hause«, sagte jemand anders.
    »Ganz ruhig, Jungs«, rief Sergeant Loadmaster Iwiss durch die Kabine. Er trug eine Lederweste mit

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