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Die Geometrie der Wolken

Die Geometrie der Wolken

Titel: Die Geometrie der Wolken Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Giles Foden
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wobei jede Hütte ihren Anteil bekam. Die gewundenen Hörner des Tiers wurden herausgestemmt und poliert (ihre Klangverstärkung war beeindruckend, und sie wurden benutzt, um Nachrichten von Dorf zu Dorf zu übermitteln oder im Krieg Kämpfer zusammenzurufen). Das Fell der Antilope - rötlichbraun mit weißen, grauen und bläulichen Streifen - wurde mit einem Stein entfleischt und dann zum Trocknen in der Sonne auf zwei Stöcke gespannt, die so in den Boden gesteckt wurden, dass sie ein X bildeten.
    Ich öffnete wieder die Augen und sah einen Jeep, der mit durchdrehenden Reifen im etwa einen halben Meter tiefen Wasser feststeckte. Endlich konnte er sich befreien und umfuhr einen Stapel Baumstämme, eins der Hindernisse, die die Deutschen an der Küste aufgestellt hatten. Ich fand ein Fernglas, mit dem ich sah, dass die Baumstämme in Wirklichkeit Leichen waren. Endlich hatte sich der Fahrer um sie herummanövriert, als er direkt von einem Artilleriegeschoss getroffen wurde. Die regneten jetzt zusätzlich zu den Mörsergranaten überall herab.
    Wumms!
    Ein großes Geschoss fiel ins Wasser und ließ eine weiße Fontäne aufsteigen. Ich weigerte mich immer noch, mich aus meinem Traum schrecken zu lassen, wie im Bann eines Krimis oder einer anderen fiktiven Rätselgeschichte dieser Art.
    Doch der Bann war zu schwach. Am Strand tat eine andere Kraft ihr schreckliches, nicht zu ignorierendes Werk, während neue Angriffswellen mit den Landungsbooten herankamen. Viele gingen unter. Die Landungsboote wurden von den Wellen an den Strand geworfen, kleinere wurden vorher überspült. Andere stießen an Hindernisse unter der Wasseroberfläche, die Löcher in den Rumpf rissen, sodass die Boote langsam sanken. Mir wurde klar, dass der Küstenwind nicht nur über dem von der Admiralität gesetzten Grenzwert lag, sondern nah an der ganz realen Grenze, die die Landungen völlig unmöglich machen würde.
    Wir waren mit dem Wetter wirklich ein enormes Risiko eingegangen. Zwar beruhte der Überraschungsvorteil auf diesen gerade eben akzeptablen Bedingungen, doch verringerte das Wetter deutlich unsere Fähigkeit, diesen Vorteil auszunutzen. Die Männer an Bord der Landungsboote, die es tatsächlich nach vorne schafften, waren gezwungen, mit dem Gewehr in der Hand und der schweren Ausrüstung am Körper in die tosenden Wassermassen zu springen, wo um sie herum die Leichen der vorangegangenen Einheiten trieben.
    Auch wenn die Geschosse so nah einschlugen, dass der Strandhafer zitterte, schien ich mich in meiner sandigen Mulde voller Verwundeter in den Dünen außer Gefahr zu befinden. Doch es ging mir nicht gut. Knoten aus Schmerz stiegen aus dem verschlungenen Brei in meinem Unterleib. Ich zwang mich wieder in meine Afrika-Phantasie, den beruhigenden Raum-Zeit-Ersatz, in den ich mein Bewusstsein geworfen hatte, um die Krämpfe abzuwenden.
    Eine seltsame Angelegenheit. Es war, als hätte ich bei dem Versuch, alles um mich herum zu unterdrücken, zwei verschiedene Orte und Zeiten unter demselben Wetter gefunden. Wissenschaftlich unmöglich, diese beiden einzelnen Realitäten unter einem Himmel zu vermischen, aber genau das geschah in meinem Kopf.
    Auf jeden Fall wurde ich in das abendliche Treffen der bunten Hundemeute in der Brandung gezogen, hinaus aus dem abscheulichen Albtraum des Krieges, hinein in den zeitlosen Strahlenglanz der Abendsonne. Mir ist, als wäre ich jetzt beim Schreiben dort - weder auf der
Habbakuk
noch in einer kratzigen, blutverschmierten, vom Kriegslärm erfüllten Düne in der Normandie, sondern auf weicherem, weißerem Sand in Afrika.
    Kleine grüne Wellen klimpern mir über die Füße und bestechen mich, aufzustehen und zu gehen. Ich kenne dich, alte Münze, und das Geräusch, das du machst. Ich beiße an und stehe auf. Irgendwo erstreckt sich der See geschmeidig wie Fries bis zur mosambikanischen Seite, und ich kenne den Ort; ich spaziere auf die Hunde weiter hinten am Strand zu. Schon wird die Lücke kleiner. Während ich gehe, verdunkelt der Sonnenuntergang einen zerklüfteten Wolkenkamm nach dem anderen. Bald ist nur noch ein bronzefarbener Streifen der Sonne übrig, ein gelbbrauner Strang, der vom Zug der Zeit immer straffer gespannt wird.
    Und plötzlich fällt mir ein,
woher
das alles kam. Irgendetwas über einen Hund. Jourdaine hatte mit dem Funkgerät die Sanitäter gerufen und die Codenamen unserer Einheiten genannt, während ich festgezurrt auf meinem Platz im Segler gelegen und geblutet und geglaubt

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