Die gepluenderte Republik
relativ krudes und sogar die neoliberalen Propagandisten ein durchaus unterschiedliches Verständnis von Neoliberalismus haben, liegt schlicht daran, dass man »weder von
dem
Neoliberalismus noch von einer theoretisch-ideologischen Konzeption« sprechen kann. So betonte Frontmann Friedrich August von Hayek bereits 1944. »Die Grundsätze des Liberalismus enthalten keine Elemente, die ihn zu einem starren Dogma machten, und es gibt auch keine starren Regeln, die ein für alle Mal feststünden.« 93 Den Neoliberalen nämlich, so der Kölner Soziologieprofessor Ralf Ptak, »ging und geht es nicht um eine rationale wissenschaftliche Debatte, sondern um die Herabsetzung und Diskreditierung des Gegners an der politisch-ökonomischen Front« 94 .
Hier nun eine Auswahl der Crème de la Crème einschlägiger bundesdeutscher Talkshow-Experten:
1. Oswald Metzger,
geboren am 19. Dezember 1954 in Grabs (Schweiz), ist ein in jeder Hinsicht klassischer Universalexperte. Zwar reichte es nicht ganz zum Studienabschluss in Jura, dafür aber war er schon Mitglied oder Sympathisant fast jeder Bundestagspartei. Er war von 1974 bis 1979 Mitglied der SPD und von 1987 bis 2007 Mitglied bei Bündnis 90/Die Grünen, für die er von 1994 bis 2002 im Bundestag saß. Zwischenzeitlich flirtete er zwecks Bundestagsmandats mit der FDP, und seit April 2008 ist er Mitgliedder CDU, die ihn aber hinsichtlich einer Bundestagskandidatur abblitzen ließ. Vor allem aber ist er Botschafter der Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft (INSM), was ihm allerdings eher peinlich ist, wie 3,1 Millionen Zuschauer am 8. Februar in der ZDF-Talkshow
Berlin Mitte
live miterleben konnten. Kaum hatte die angenehm forsche Maybritt Illner Oswald Metzger wahrheitsgemäß als Kuratoriumsmitglied der INSM vorgestellt, da erbleichte der und giftete dann, dies sei aber nicht ausgemacht und er doch als »Grüner« eingeladen.
Was Oswald Metzger von sich gibt, blamiert in Form und Inhalt sogar die Neoliberalen, was an und für sich schon ein Kunststück ist. Niemand vermag die drei mittlerweile museumsreifen Forderungen »Schlanker Staat«, »Sparsamer Staat« und »Privatisierung« dermaßen platt und sprachlich unbeholfen zu vertreten wie der karrieresüchtige Schwabe. Zuweilen meint der Zuhörer, er habe dessen Landsmann vor sich, den Imitationskönig Matthias Riechling. Der Skandal ist allerdings nicht, dass es der liebe Herrgott mit Metzger nicht gut gemeint hat, sondern dass der von einer Talkshow zur anderen weitergereicht wird. Wenn er dort auch noch auf Kontrahenten ähnlich geistigen Kalibers trifft wie etwa Hubertus Heil (SPD) oder Rainer Brüderle (FDP), dann ist der Abend für den Liebhaber unfreiwilligen Humors schon gerettet. Wenn Leute wie Metzger Deutschlands »Wirtschaftsexperten« sein sollen, dann möchte man gar nicht erst die Laien kennenlernen – oder umgekehrt: Kein Milchmädchen kann so verquere Rechnungen aufmachen wie der ewige Wanderer zwischen den Parteien.
2. Michael Hüther,
geboren am 24. April 1962 in Düsseldorf, war von 1990 bis 1995 wissenschaftlicher Mitarbeiter im Stab und von 1995 bis 1999Generalsekretär sowie Leiter des wissenschaftlichen Stabes des Sachverständigenrates zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung, von 1999 bis 2004 Chefvolkswirt und von 2001 bis 2004 Bereichsleiter Volkswirtschaft und Kommunikation der DekaBank Deutsche Girozentrale in Frankfurt, ist seit 1995 Dozent und seit 2001 Honorarprofessor an der European Business School in Oestrich-Winkel und seit Juli 2004 Direktor und Mitglied des Präsidiums des Instituts der deutschen Wirtschaft Köln. Vor allem aber sitzt er im Kuratorium der Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft (INSM). Die wiederum fordert eine Beschränkung des Staates auf seine »Kernkompetenzen«, Abbau von Bürokratie und Vereinfachung von Genehmigungsverfahren sowie Senkung von Steuern und Abgaben (das bringe neue »Freiräume« für die Eigeninitiative von Bürgern und Unternehmen, verbessere die Wettbewerbsfähigkeit und sei Voraussetzung für das Entstehen neuer Arbeitsplätze), Abbau von Subventionen (diese verzerrten den Wettbewerb, diskriminierten Nichtsubventionierte, erhöhten die Abgabenlast). Arbeitslose müssten sinnvoll qualifiziert statt alimentiert werden. Alles, was aus Sicht der Initiative im Sozial- und Arbeitsrecht die Schaffung neuer Arbeitsplätze verhindert, müsse dereguliert werden. Ansprüche auf eine aus Sicht der INSM bestehende
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