Die gepluenderte Republik
nachkam, mussten die Werften Anfang Juni 2009 Insolvenzanträge stellen.
Und auch bei den neuen Eigentümern kommt das Gefühl eines Déjà-vu auf: Obwohl sie den Kaufzuschlag auch wegen angeblicher Neuaufträge der Gazprom erhalten hatten, seit ihrem Eintritt aber nicht einen einzigen neuen Auftrag präsentieren konnten, wanderten sie unter den Rettungsschirm der Bundesregierung. Die Werften erhielten die Zusage für Kredite von 180 Millionen Euro, die vom Bund verbürgt werden. Aus dieser Bürgschaft waren laut
FAZ
bis August 2009 bereits 167 Millionen Euro in Anspruch genommen worden.
Übrigens: Ihr Überleben verdankten die beiden Werften nur dem milliardenschweren Einsatz von Steuergeldern. Nach der Wende gelang der »Verkauf« dieser Betriebe nur mit einer gewaltigen staatlichen Mitgift. Die Wismarer Werft musste gleich zweimal gerettet werden: Sie landete zunächst in den Fängen der Werftengruppe Bremer Vulkan, die die Staatsgelder für andere Zwecke missbrauchte und in Konkurs ging. Weil man die strukturschwache Region industriell nicht austrocknen lassen wollte, flossen abermals dreistellige Millionenbeträge aus dem Staatssäckel, bis die zweite Privatisierung gelang: 1998 kaufteAker die Werft in Wismar, vier Jahre später den Betrieb in Warnemünde. Und – um mit Hildegard Knef zu sprechen – »von da an ging’s bergab«.
Ein neuer Name ist wie ein neues Leben: Arcandor
Leider haben wir zusehends verhaltensgestörte Mitbürger: Diese Menschen sind einerseits Analphabeten und verfügen insgesamt über den IQ eines Spulwurms, andererseits lungern sie zu Zeiten, wo sie eigentlich in der Schule oder auf dem Arbeitsamt sein sollten, in Spielhallen oder Internetcafés herum. Kaufhäuser, die jahrzehntelang zur westlichen Zivilisation gehörten wie Staubsauger oder Toilettenpapier, sind ihnen wesensfremd. Karstadt oder Hertie: Viele dieser geschätzten Mitbürger wären überrascht, dass ein Kaufhaus mehr zu bieten hat als die Telespielabteilung für Gehirnamputierte im dritten Stock. Dass es im Untergeschoss Lebensmittel jenseits von Big Mac gibt, im Parterre durchaus erschwingliche Frauenklamotten oberhalb des Klum-Levels und in der ersten Etage Männerkleidung, in der sich Mann auch außerhalb des Mallorquiner Idiotenviertels rund um die Drews-Idylle Ballermann bewegen kann. Dass man dort auf die Schnelle Bademäntel ebenso bekommt wie Bohrmaschinen, Kaffeemaschinen ebenso wie Teesiebe.
Schon als Karstadt sich im Jahr 1999 mit Quelle zusammentat (und ab 2007 unter dem Großkotz-Label
Arcandor
firmierte), ahnten Normalbürger nichts Gutes: Jahrzehntelang war Karstadt Karstadt und Quelle Quelle, auch ohne die »Hilfe« ebenso blässlicher wie halbgebildeter Betriebswirtschaftsstudenten. Als dann an jenem 9. Juni 2009 Arcandor einen Insolvenzantrag stellte, verriet dies mehr über unsere vielgepriesene Marktwirtschaft als hundert Fachbücher. Ein offenkundig florierendes Kaufhaus, in dem sich morgens die ersten Kunden über den Haufen rennen und das Personal vor lauter ArbeitMühe mit der Bewahrung der guten Laune hat, macht urplötzlich dicht. Der Antrag auf Gläubigerschutz wird am Mittag beschlossen. Arcandor-Chef Karl-Gerhard Eick teilt dem Kanzleramt mit, man wolle den Antrag für einen staatlichen Notkredit nicht »nachbessern«. Er werde die Frist für eine Nachbesserung des eigenen Rettungskonzepts verstreichen lassen.
Spiegel Online
meldet das um exakt 12.03 Uhr. Die Arcandor-Aktie gerät danach stark unter Druck. Der Kurs rutscht zeitweilig um 30 Prozent ab, später wird der Handel des Papiers ausgesetzt. Sieht so
Das Ende der Geschichte
nach den Weisheiten des Neoliberalen Francis Fukuyama aus?
Dass Anfang Juli 2009 der Druck des Quelle-Katalogs trotz eines 50-Millionen-Kredits aus der Tasche des Steuerzahlers gestoppt wurde, weil die Druckerei schlicht befürchtete, keinen müden Cent zu sehen, und die insolvente Quelle schließlich ab November 2009 nicht mehr sprudelte, sondern abgewickelt wurde, rundet das Bild von einer funktionierenden Marktwirtschaft ab. 85
Schaeffler scheffelt – Abwrackprämie für Golfschläger
»Sie kam, sah und weinte«, frotzelte die
Süddeutsche Zeitung
über eine der peinlichsten Demonstrationen der Nachkriegszeit. 86 8000 Mitarbeiter der Schaeffler-Gruppe gingen im Februar 2009 für ihre Chefin auf die Straße. Die gebürtige Pragerin und Medizinstudienabbrecherin Maria-Elisabeth Kurssa angelte sich 1962 den 24 Jahre älteren Unternehmer Georg Schaeffler und
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