Die gepluenderte Republik
Pump aufschwatzte. Dass dies im Einzelfall gutgehen konnte – der Schuldner könnte ja in der Lotterie gewinnen –, insgesamt aber zur Katastropheführen muss, war den Machern klar. Wenn ein Wirt einem chronisch Klammen immer anschreibt, kann er sich ausrechnen, dass er am Ende keinen müden Cent sieht.
Deshalb verkauften die Gläubiger die hochriskanten Kredite einfach weiter, und die Käufer wiederum suchten wie beim Schneeballsystem andere Dumme und so weiter und so fort: »Den letzten beißen die Hunde.« Aber hier bissen die Hunde auch das gesamte System.
»Die kapitalistische Produktion strebt beständig, die ihr immanenten Schranken zu überwinden«, wusste schon Karl Marx, »aber sie überwindet sie nur durch Mittel, die ihr diese Schranken aufs Neue und auf gewaltigerem Maßstab entgegenstellen. Die wahre Schranke der kapitalistischen Produktion ist das Kapital selbst.« 5
Schon an dieser Stelle zeigt sich, dass der Markt keineswegs ein vernünftiger Automat, eine segensreiche »unsichtbare Hand« à la Adam Smith ist, im Gegenteil. Jeder Monopolyspieler weiß, dass gesetzmäßig die Reichen immer reicher und die Armen immer ärmer werden. Und wenn die Armen keine Straßen, keine Häuser und auch kein Geld mehr für die Miete haben, ist das Spiel aus.
Anders ausgedrückt: Hätte man den Immobilien- und Kreditkartenschuldnern ihre Schulden erlassen beziehungsweise aus der Staatskasse bezahlt, so hätte es keine Finanzkrise gegeben. Aber genau das ist ja nicht Sinn der Marktwirtschaft. Dieselben spießigen Mittelständler, die das leistungslose Einkommen der Milliardäre ganz in Ordnung finden, hätten Zeter, Mordio und »Sozialismus« geschrien.
Die Frage ist allerdings – dies weltfremde Gedankenspiel sei gestattet –, ob die USA und damit die ganze Welt unterm Strich damit nicht besser gefahren wären.
3. Jede Menge Kohle
Der Schlüssel zum Verständnis der kapitalistischen Krisen im Allgemeinen und der Finanzkrise im Besonderen liegt im leistungslosen Einkommen. Ein »Investor« ist nämlich zumeist nichts anderes als ein Zocker, dem es relativ wurscht ist, ob er Bayern München gegen Schalke tippt oder in Form von RWEAktien auf den Anstieg der Energiepreise setzt. Die eigentliche Funktion des Geldkapitals, nämlich ehrlichen Konzernen und Mittelständlern den Ausbau oder Betrieb ihres Unternehmens zu finanzieren, gerät zusehends in Vergessenheit.
Schlimmer noch: Eher kommt die Pleitebank Hypo Real Estate an über 100 Milliarden Euro heran als ein Tischlermeister an einen Kredit über 10 000 Euro zum Ausbau seiner kleinen Werkstatt. Kaum eine private oder staatliche Bank, die nicht mitgespielt hat im globalen Casino. So kaufte die Bayerische Landesbank in der Hoffnung auf höhere Bilanzsummen und Renditen für Milliarden riskante Finanzprodukte und Kredite – und erhält nun vom Steuerzahler zehn Milliarden Euro.
Wohin das führen kann, wird sich zeigen.
Langsam fragt man sich, was der größere Skandal ist: Die unverschämte Misswirtschaft zu Lasten der Allgemeinheit oder die Tatsache, dass die Bürger ihre eigene Ausplünderung nahezu lethargisch hinnehmen.
TEIL I
Die Krise, das unbekannte Wesen
1. Lob und Tadel für die Raffgier
Der römische Senator Marcus Porcius Cato (234–149 v. Chr.), genannt »Cato der Ältere«, beendete jede seiner Reden mit der stereotypen Forderung: »Ceterum censeo, Carthaginem delendam esse – Übrigens meine ich, dass Karthago zerstört werden muss.«
Genauso gebetsmühlenartig wird gegenwärtig über die »Gier« geklagt. Allein die Schlagzeilen der »seriösen« Presse sprechen Bände:
»Köhler kritisiert ›hemmungslose Gier‹« –
Focus Money Online
am 10. Oktober 2008.
»CDU will Gier an den Märkten Grenzen setzen« –
Der Westen
am 17. Oktober 2008.
»Müntefering kritisiert Gier der ›Hopper‹-Manager« –
Welt Online
am 14. Dezember 2008.
»DGB-Chef Sommer: In Chefetagen herrscht ›die nackte Gier‹« –
stern.de
am 1. Mai 2005.
»Hirnforscher führt Finanzkrise auf angeborene Gier nach Geld zurück« –
Telepolis
am 20. Juni 2009.
»Dalai Lama hält Gier für Ursache der Krise« –
Spiegel Online
am 26. Juni 2009.
»Papst rügt Gier und ungezügelten Kapitalismus« –
Berliner Zeitung
am 8. Juli 2009.
Aber auch die Meinungsmacher selbst mischen munter mit:
»Gier frisst Hirn« –
Handelsblatt
am 22. Januar 2008.
»Gier ohne Grenzen« –
Spiegel Online
, vom 17. August 2007.
»Die Wirtschaftselite und das
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