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Die gepluenderte Republik

Titel: Die gepluenderte Republik Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Wieczorek
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und dann noch dreister weitermachen als zuvor: So lautet die wahre neoliberale Logik.
    Man darf gespannt sein, wie lange die Bürger sich das bieten lassen. 28,8 Prozent Nichtwähler und eine Kanzlerin, der nicht einmal jeder fünfte Wahlberechtigte seine Stimme gab, sprechen eine deutliche Sprache. 3 Die Bundestagswahl 2009 brachte der FDP, die in den Augen der Bevölkerungsmehrheit wohl wie keine andere Partei für Sozialabbau, Privatisierung und Steuersenkungen für die Bestverdiener und Mächtigen steht, also für die Ausplünderung der Gesellschaft durch Wirtschaft und Wohlhabende, mit 14,6 Prozent (10,5 Prozent der Wahlberechtigten) das beste Ergebnis in ihrer stets unter Lobbyistenverdacht stehenden Geschichte.
    Dies ist auf den zweiten Blick aber so unerklärlich nicht: Etwa ähnlich groß dürfte der Anteil der Krisenprofiteure am Gesamtvolk sein. Und gerade in Zeiten, wo den kleinen Leuten die Verschlechterung ihrer finanziellen und sozialen Lage als »alternativloser Sachzwang« verkauft wird, hofft so manch ein »Besserverdiener« auf eine Fortsetzung der Umverteilung von unten nach oben.
    Andererseits ist es ja genau das, was – frei nach dem französischen Regisseur Claude Chabrol – den diskreten Charme der Marktwirtschaft ausmacht.

Einleitung
     
1. Kein Erdbeben
     
    Es gab kein Erdbeben, und keine Fabrik wurde in die Luft gesprengt: Die großen Firmen – nicht nur in Deutschland – sind stofflich-materiell bestens aufgestellt und könnten also eigentlich jederzeit alles produzieren. Selbst Opel hätte ja sofort alle möglichen Modelle liefern können – nur dass sie niemand haben wollte oder bezahlen konnte. Der Streit um die Abgaswerte zum Beispiel erwies sich rückblickend als Pyrrhussieg: als Anfang vom Ende.
    De facto bestimmt nämlich nicht die Produktqualität den Marktanteil, sondern der Marktanteil des Unternehmens bestimmt, welches Produkt am Markt bestehen kann. Frühere Generationen nannten dies »Konsumterror«. Deshalb wurden zum Beispiel jahrzehntelang unwirtschaftliche und umweltschädliche Spritschleudern in den Markt gedrückt und gekauft. Sogar auf ein Tempolimit wurde, anders als in den meisten anderen Ländern, verzichtet, um hirnlosen Rasern den Gebrauch ihrer hochgezüchteten Karossen zu ermöglichen. Doch irgendwann hatten auch die debilsten Autokäufer die Nase voll. Außerdem: Wie viele Autos soll ein 4-Personen-Haushalt denn noch haben? Vier? Fünf? Fünfzehn?
2. Am Markt vorbei
     
    Dass zuweilen am Markt vorbei produziert wird, ist natürlich nur die halbe Wahrheit, denn auch die verbraucherfreundlichsten Angebote hätten an der Krise nichts geändert. Der von David Ricardo und Karl Marx aufgedeckte Konjunkturzykluszeigt die periodischen Krisen als solche der Überproduktion beziehungsweise der Überakkumulation: Milliardensummen an Kapital finden keine erfolgversprechenden Anlagemöglichkeiten. Beispiel Autoindustrie. Viele Karossen stehen auf Halde, weitere werden gar nicht erst produziert. Die Konzerne sitzen auf ihrem Geld und ihren Produktionskapazitäten. Dass sie sich deshalb auch als Zocker betätigen, werden wir später noch sehen.
    Konkret: Da den ehrlich Arbeitenden das Geld fehlt, können sie sich manches nicht leisten. Autos kaufen keine Autos, wusste schon Henry Ford. Andererseits können auch die Reichen und Schönen gar nicht so viele Autos kaufen, wie nötig wären, um die fehlende Nachfrage auszugleichen. Wäre das Geld anders verteilt, müsste es keine Wirtschafskrisen geben. Daher wird die Krise zuweilen auch Unterkonsumtionskrise genannt. 4 Nachfrage in der Marktwirtschaft ist nämlich immer
zahlungskräftige
Nachfrage. Und die Krise geht stets vom Endverbraucher aus: Das ist der sogenannte kleine Mann ebenso wie der Konzern, der Dienstwagen oder Büromöbel kauft, oder der Staat als Waffenkäufer. Von der mangelnden »Kauflaune« des Konsumenten frisst sich die Krise nach oben durch: weniger Absatz, weniger Handel, weniger Nachfrage nach Maschinen oder nach Stahl und kommerziell genutzter Energie. Da in einer Volkswirtschaft ein Rädchen ins andere greift, sind vom »Sand im Getriebe« letztlich fast alle betroffen – ausgenommen vielleicht Branchen wie die Fahrradindustrie, weil sich viele kein Auto mehr leisten können.
    Dieses Nachfragedefizit versuchte man in den USA auszugleichen – also quasi die Krise auszutricksen –, indem man den Normalverdienern und den Ärmeren Immobilien und über Kreditkarten alle möglichen anderen Waren auf

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