Die geprügelte Generation
gesteckt.«
Verprügelt wurde Detlev mit allem »was greifbar war«, Kochlöffel,Kleiderbügel. »Bis die Gegenstände an mir zerbrochen sind. Geblutet habe ich danach glaube ich nicht. Weil die Prügel immer aufs Hinterteil gingen oder auf den Rücken, nie ins Gesicht.« Detlev erinnert sich an die große Wut und die Heftigkeit, mit der die Mutter ihn schlug. An blaue Flecken, die zurückblieben. »Das kann man sich ja vorstellen. Ein massiver Kleiderbügel aus Buche, wenn der zerbricht, dazu muss man schon ordentlich zuschlagen.« Derartige Schläge bekam er, so glaubt er, ab dem vierten Lebensjahr bis zu seinem achten. Später dann gab es seiner Erinnerung nach nur noch Ohrfeigen. Aber ganz genau weiß er es nicht mehr. »Das ist schwer zu sagen, denn das liegt lange zurück.« Grob geschätzt, so vermutet er, ist er wohl 20 bis 30 Mal in seiner Kindheit heftig geschlagen worden. »Das war dann später immer so ein Gerenne um den Tisch herum. Meine Mutter musste mich einfangen, weil ich mich nicht habe verprügeln lassen.« Dabei wurde die Mutter immer wütender. »Und wenn sie mich dann erwischte, ging es richtig los. Dann setzte es was.«
Auch seine Schwester blieb nicht verschont. Die vier Jahre Jüngere war schon als Kind sehr jähzornig, konnte sich regelrecht in einen Wutanfall hineinsteigern. »Dann wurde sie gepackt, ausgezogen und unter eine kalte Dusche gestellt, bis Ruhe war.« Der kleine Detlev empfand das »mit ’ner gewissen Schadenfreude« darüber, dass nicht nur er den Zorn der Mutter abbekam. Ein Gefühl, bei dem er jedes Mal im Nachhinein ein schlechtes Gewissen bekam.
Sein Vater schlug nur, wenn die Mutter ihn dazu aufforderte. Lustlos, weil ihm hierzu einfach die erforderliche Wut fehlte. »Das lief dann so ab: Er forderte mich auf, leg dich über den Stuhl, und dann hat er mit der flachen Hand auf meinen Hintern gehauen. Das hat nie weh getan.« Bei seiner Mutter war das anders, die verletzte, war in Rage und in Aufruhr. Dennoch hat Detlev seine Mutter sehr geliebt, wusste immer genau, dass auch sie ihn liebte. »Trotz dieser Schläge. Das war wohl so.«
Die Einsamkeit nach der Tracht Prügel
Detlev hat allerdings oft, nachdem er eine Tracht Prügel verabreicht bekommen hatte, »genau gespürt, ich bin einsam. In der Hauptsache einsam und unverstanden«. Vor allem, weil er die Prügel nicht eingesehen hat, weil es doch meistens nur darum ging, »dass ich nicht essen wollte, was mir da vorgesetzt wurde.« Noch heute könnte er würgen, sobald ihm der Geruch von Spinat in die Nase steigt. »Ich glaube, das sind so Folgen davon. Mir wurde natürlich mit den Schlägen auch verbal immer wieder gesagt, dass ich einen schlechten Charakter habe, und dass sich meine Eltern später auf mich niemals verlassen könnten. Das wurde mir schon von Kind an eingebläut. Deshalb ging auch die Hoffnung der Eltern über auf meine Schwester, die sich später um meinen behinderten Bruder kümmern sollte.«
Wenn er sich das heute so überlegt, fällt ihm ein, dass er sich schon als Kind innerlich von seinen Eltern verabschiedet hat. »Also ich war nicht steuerbar für die. Ich führte mein eigenes Leben, von dem die oft gar nichts wussten. Überhaupt gar nichts. Die Schule war zu Ende. Danach habe ich so herumgetrödelt. Auf Hausaufgaben hatte ich sowieso keine Lust. Und dann habe ich mich so lange auf der Straße rumgetrieben, bis es anfing dunkel zu werden. Ich kam dann häufig erst so gegen 7, 8 Uhr von der Schule.«
Verzweifelt geweint und protestiert hatte er immer schon, wenn man ihn zur Strafe, weil er seinen Teller nicht leer gegessen hatte, in einem dunklen Zimmer ins Bett steckte. Er hat dann »alle möglichen Gegenstände aus dem Fenster geschmissen. Ich hab einmal aus dem Fenster geschissen vor Wut.« Doch je älter er wurde, desto schwerer fiel es seiner Mutter, ihn zu packen. »Als ich letztmalig geohrfeigt werden sollte, war ich vierzehn. Da hab’ ich ihr den Arm festgehalten, ich war dazu inzwischen stark genug, und habe ihr angedroht, wenn sie mich schlägt, dann schlage ich zurück.«
»Ich will da jetzt nichts konstruieren«, versucht Detlev sich genau zu erinnern. »Nur so eine Gewaltbereitschaft, die habe ich von zu Hause irgendwie mitbekommen. Ich habe mich als Kind da, glaube ich, gehen lassen. War unkontrolliert. Ich war wie fremdgesteuert manchmal. Auch in meinen Wutanfällen, das habe ich schon gemerkt. Wenn der Verstand völlig aussetzte und ich dann nur noch draufgeschlagen
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