Die geraubte Braut
leichtere Aufgaben übernehmen und so ihre Dankbarkeit für Eure Großzügigkeit zeigen.«
Cato schob seinen Stuhl zurück und erhob sich. »Ja, es wäre sehr wünschenswert, wenn sie mit den Kleinen spielt und Olivia Gesellschaft leistet. Die Einzelheiten überlasse ich deinen überaus befähigten Händen, meine Liebe.« Er verließ das Speisezimmer mit einer Verbeugung.
Dianas liebreizender Ausdruck verlor sich. »Olivia, nach dem Frühstück machst du deine Haltungsübungen. Wer so über Büchern hockt, bekommt einen Buckel. Komm.« Als sie anmutig und würdevoll aufstand, hielt sie Rücken und Schultern kerzengerade.
Aber schließlich kann kein Mensch behaupten, dass Lady Granville jemals ihre Nase in ein Buch gesteckt hat, dachte Olivia, als sie widerstrebend ihren Stuhl zurückschob und ihrer Stiefmutter in deren Schlafgemach folgte, wo Diana das gefürchtete Rückenbrett auf den schmalen Schultern ihrer Stieftochter befestigen würde.
Ohne eine Ahnung von der täglichen Tortur, der sich seine Tochter unterziehen musste, eilte Cato aus der Burg zum Exerzierfeld, wo seine Miliz noch immer übte. Er blieb auf einer Seite stehen und sah dem Drill zu. Giles Crampton, der diensthabende Sergeant, war ein wahrer Meister darin, eine Schar ungeschlachter, linkischer Bauerntölpel in eine kampftüchtige Truppe zu verwandeln.
Kampftüchtig genug für eine Armee des Parlaments. Tatsächlich würden sie für diese sogar ein Gewinn sein. Und Giles Crampton hatte genau dieses Ziel vor Augen. Er wusste als einziger von Lord Granvilles Gesinnungswechsel und stand voll und ganz hinter seinem Herrn und Gebieter.
Der Sergeant übergab das Kommando seinem Stellvertreter, ehe er mit langen Schritten auf Lord Granville zutrat.
»N'Morgen, Mylord.«
Cato bedeutete ihm, er solle ihn begleiten. »Giles, ich habe eine Aufgabe für dich. Ich wüsste sonst niemanden, den ich damit betrauen könnte.«
»Ich bin Euer Mann, Mylord. Das wisst Ihr.«
»Nun, in diesem Fall handelt es sich um etwas, das dir vielleicht nicht zusagen wird.« Cato machte ein finsteres Gesicht. »Du musst Kindermädchen spielen, noch dazu zur ungelegensten Zeit, da ich dich kaum entbehren kann.«
Giles behielt seinen festen Schritt bei. »Redet schon, Sir.«
»Du sollst meine Nichte aus Edinburgh holen.« Cato erläuterte die Situation, und Giles hörte geduldig zu.
»Schon heute?« fragte er schließlich.
»Je eher, desto besser. Noch herrscht an der Grenze Ruhe. Leven lässt seine Truppen erst aufmarschieren.«
»Und wir stoßen zu ihm?«
»Ja. Sobald du mit dem Mädchen aus Schottland zurückkommst, werden wir für das Parlament in den Kampf ziehen.«
Giles' grobe Züge erhellten sich. »Nun, das wird ein freudiger Anblick, Mylord.«
»Werden die Leute dem neuen Banner folgen?«
»Sie werden den Befehlen folgen. Und diejenigen, die sich ihre eigenen Gedanken machen, neigen ohnehin zur Seite des Parlaments.«
»Gut.« Cato zog eine schwere Lederbörse aus seiner Tasche. »Damit müsstest du auskommen.«
»Und wenn das Mädchen sich nicht willig zeigt?«
»Dann sollst du sie nicht zwingen. Wenn sie schon eigene Pläne hat – umso besser.« Sein Bruder konnte nicht mehr erwarten, als dass er dem Mädchen ein Zuhause bot.
Wieder nickte Giles. »Ich werde übers Moor reiten. Da laufe ich nicht Gefahr, auf eine Armee zu stoßen.« Er grinste schlau.
»Dort läufst du Gefahr, auf Wegelagerer zu stoßen«, warnte Cato mit grimmigem Lächeln. »Rufus Decaturs Späher lauern überall. Nichts käme ihm, gelegener als ein Überfall auf meine Leute.«
»Ich hörte, dass er eigene Truppen für den König aufstellen soll«, sagte Giles.
»Es war zu erwarten, dass er in die Kämpfe eingreift«, gab Cato finster zur Antwort. »In den Kriegswirren winkt ihm reiche Beute, und wenn Anarchie herrscht, ist er in seinem Element.«
Er ging zurück in die Burg, die Brauen finster gerunzelt, da er in Gedanken versunken war, die nur Enttäuschung und Wut in ihm weckten. Seit sechsundzwanzig Jahren hauste der ausgestoßene Clan der Decatur im unwirtlichen, öden Gebiet der Cheviot Hills und führte von dort aus einen zermürbenden und von Verwüstungen begleiteten Kampf gegen Besitz und Leben all jener, die dem Banner der Granvilles folgten.
Die Brigantenbanden, die unter Königin Elizabeth und ihrem Nachfolger James die Grenzgebiete des Nordens als ihr eigenes, von Gesetzlosigkeit beherrschtes Territorium angesehen hatten, waren zerschlagen worden. Doch die
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