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Die Germanen: Geschichte und Mythos - Ein SPIEGEL-Buch (German Edition)

Die Germanen: Geschichte und Mythos - Ein SPIEGEL-Buch (German Edition)

Titel: Die Germanen: Geschichte und Mythos - Ein SPIEGEL-Buch (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Norbert F. Pötzl
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den Wohnbereich oder in den dritten, hinteren Teil des Hauses, den Stall. Das Kleinvieh lebt hier in Verschlägen, die Kühe stehen paarweise in Boxen zwischen den Pfosten. Ihre Köpfe zeigen zur Wand, das Hinterteil ragt zum Mittelgang. So lässt sich der Stall gut sauber halten: Der Mist kann leicht über die Stallgasse nach draußen geschoben werden.
    Dieses Bauschema war bei den Germanen der beliebteste Häusertyp. Von Skandinavien bis ins Mittelgebirge findet sich in den kleinen Dörfern meist das dreischiffige Wohnstallhaus als Grundmodell. Damit im Winter die schneidenden Sturmböen keine Angriffsfläche finden und die Innenräume auskühlen, richten die Germanen ihre Häuser mit der Schmalseite in den Wind; je nach Standort sind die Häuser also meist in west-östlicher oder nordwest-südöstlicher Richtung orientiert. Anders als die Römer nutzen die Germanen keine Steine zum Bau ihrer Häuser. Zwischen die tragenden Holzpfosten schlagen sie weitere Stangen ein und flechten dann Weidenzweige dazwischen. Diese Flechtwände verputzen sie mit Lehm. Eine praktikable Konstruktionsart, denn alles Nötige fand sich in unmittelbarer Umgebung, ließ sich leicht transportieren und verarbeiten.
    Nur heutigen Archäologen macht diese Materialwahl ihre Arbeit denkbar schwer. Längst ist das organische Material der meisten Wohnstallhäuser vergangen; wenig mehr ist von ihnen übrig als mühsam zu entdeckende dunkle Schatten im Boden. Nur an Orten, wo der Boden so feucht und ungestört ist wie auf der Feddersen Wierde, überdauerten die fragilen Flechtwände die Jahrhunderte.

    In der Breite unterscheiden sich die Häuser kaum. Und auch die Länge des Wohnteils bleibt erstaunlich konstant über alle Epochen und Regionen. Die Familie, ob arm oder reich, begnügt sich mit einer Raumtiefe, die das zentrale Herdfeuer noch gut warm hält. Für den Rest des Hauses aber gilt: Zeige mir deinen Stall, und ich weiß, wie reich du bist. Je länger der hintere, tierische Trakt des Hauses, desto mehr Vieh stand darin – desto wohlhabender war der Hausbesitzer. Auf der Geestinsel Flögeln, ganz in der Nähe der Marschsiedlung Feddersen Wierde, lässt sich auch beobachten, wie die Häuser im Lauf der Jahrhunderte länger wurden. Im 1. Jahrhundert nach Christus maßen sie im Durchschnitt noch 20,3 Meter. Im 2. Jahrhundert waren es schon 30,85 Meter, im 3. Jahrhundert stolze 33,9 Meter. Im 4. Jahrhundert schließlich, unmittelbar bevor die Siedlung aufgegeben wurde, erreichten die Häuser im Durchschnitt gar die Prachtlänge von 38,1 Metern.
    Spannender als jede literarische Familiensaga ist, was sich an den Veränderungen der Häuser auf der Feddersen Wierde ablesen lässt. Als die ersten fünf Familien in die Marsch kamen, um hier draußen an der Küste ein neues Dorf zu gründen, scheinen alle untereinander mehr oder minder gleichberechtigt gewesen zu sein. Ihre Häuser standen zu ebener Erde und waren etwa gleich groß. Doch bald schon erzwangen die Sturmfluten, die immer wieder das Dorf überspülten, erste Veränderungen. Die Bewohner beginnen, ihre Häuser auf Wurten (Warften) zu errichten. Sie untermischen den Kleiboden der Marsch mit Stallmist und schichten Hügel auf, auf deren Kuppen ihre Häuser nun über den Fluten stehen, wenn die Frühjahrs- und Herbststürme das Wasser der Nordsee die Wesermündung hinauf ins Inland drücken. Trotz solcher Bedrohung scheint das Leben in der Marsch attraktiv zu sein; bald schon sind es elf Höfe.
    An der Wende zum 2. Jahrhundert wird aus den Einzelhöfen ein Dorf. Die Bewohner füllen die Entwässerungsgräben zwischen den Wurten auf und erhöhen das Areal zu einem einzigen großen Siedlungshügel. Auf der dem Wasser zugewandten Seite des Hügels planieren sie die Fläche zu einem freien Platz. Ihm sind künftig alle Häuser zugewandt. Statt Gräben trennen nun Zäune die einzelnen Grundstücke voneinander. Wer gab den Anstoß zu diesem Umbau? War es eine Gemeinschaftsentscheidung? Oder hatte sich in dem anfangs so demokratisch anmutenden Dorf mittlerweile eine Einzelperson über die anderen aufgeschwungen und die Entscheidungsgewalt in die Hand genommen?
    Tatsache ist, dass vom 2. Jahrhundert an ein Hof sich deutlich von den übrigen unterscheidet. Er liegt in der Mitte des Dorfes. Im Stall des Haupthauses ist Platz für 32 Rinder, doch zu dem Gehöft zählen eindeutig noch mehrere kleinere Wohnstallhäuser sowie ein Gebäude, das nur für handwerkliche Arbeiten genutzt wird. Bald entsteht

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