Die gesandte der Köingin Tess 2
ganzen Willen entgegen. Jeck schlang die Arme um mich, deren Wärme sogar durch meinen Umhang drang. Nun endlich erkannte ich, woher das Gefühl des Verrats und der Enttäuschung in der Giftvision stammte. Es kam von Duncan, nicht von dem Mann, dessen Arme mich jetzt umschlossen.
Unsicher, was ich eigentlich empfand, sah ich mich nach den beiden Pferden um, die mit den schweren Säcken hinter uns her trotteten, zwei Schemen im Mondschein. »An das Geld kann ich mich gar nicht erinnern«, bemerkte ich.
»Es ist aufgetaucht, nachdem du die Vision verlassen hattest.« Seine volltönende Stimme hallte durch meinen Körper, und der Anklang eines tieferen Gefühls ließ mich in fragender Stille verharren. Etwas summte durch meinen Körper, beinahe wie heilende Kraft, die meiner zertrampelten Seele wohltat.
Wir ließen das Dornengestrüpp hinter uns, und die Pferde kamen schneller voran, als wir uns nach Osten wandten, denn sie wussten, dass es jetzt in den Stall ging. Der Wind, der in den mondbeschienenen Bäumen raunte, hatte keine tiefere Bedeutung. Ich hatte den Wind in mir getötet. Er war fort.
Erleichtert schloss ich die Augen. Doch das Gefühl hielt nicht lange an, denn ein höhnisches Lachen erklang an meinem Ohr. Es war der Zephir, den ich befreit hatte, damit er Duncan suchte, und er flüsterte etwas, das ich nicht verstand, ehe er einmal durch mein Haar wirbelte und verschwand.
Erschrocken hielt ich still und wartete darauf, dass er zurückkehrte. Jeck verlor kein Wort über den kleinen Wirbelwind, wofür ich ihm sehr dankbar war. »Er ist weg«, sagte ich zittrig. »Ich habe ihn getötet, mit meiner Wut auf Duncan.«
»Den Wind?«, fragte er nonchalant. Seine Stimme klang so weich wie das ferne Lied der Frösche, und ich nickte. »Gut. Das wird dir vieles erleichtern.«
Ich schluckte, denn seine Arme machten mich plötzlich nervös. »Ist sonst noch etwas anders als in dem Traum?«, fragte ich zaghaft.
»Nein«, antwortete er rasch, doch es klang ein wenig schuldbewusst, und ich hielt es für möglich, dass er log.
29
Ich hatte das Gefühl, die Bewegung der Wellen schon unter mir spüren zu können, als ich am Anlegesteg des Palastes wartete und die letzten Vorbereitungen beobachtete. Mein neues Schiff, die Schwarze Strandläufer, würde gleich die Segel zu ihrer Jungfernfahrt setzen. Sie war schon in Auftrag gegeben worden, ehe ich die Strandläufer verloren hatte, deshalb hatte es nur einen Monat gedauert, bis sie fertig war. Sie war zehn Fuß länger, hatte mehr Segelfläche und leer drei Zoll weniger Tiefgang, die schmalen Linien machten sie noch schneller – und sie war schwarz gestrichen. Anstelle eines Laderaums war unter Deck alles Wohnraum, und ich freute mich schon auf die Annehmlichkeiten, die das eigens für mich entworfene Schiff bot. Es hatte sogar einen winzigen Baderaum. Himmlisch.
Kapitän Borlett stand neben Contessa und Alex an der Rampe, lebhaft und munter. Begeistert deutete er in die Takelage und erklärte irgendwelche nautischen Einzelheiten, die sie offensichtlich nicht interessierten. Er und seine Mannschaft waren im Laderaum des Piratenschiffs entdeckt und am selben Tag befreit worden wie Contessa und Alex, und in nicht halb so schlimmem Zustand, wie ich befürchtet hatte.
Der Kapitän humpelte zwar heftig und war blass von zu vielen Tagen unter Deck, doch er bewies energisch, dass seine Fähigkeit, Befehle über den Lärm schwerer Stürme hinwegzubrüllen, nicht gelitten hatte. Als ich ihn da so stehen sah, in seinem besten Kapitänsstaat mit glänzenden Schnallen und geschmückten Zöpfen, fühlte ich einen ungeheuren Frieden in mir. Ich hatte mein Schiff wieder. Jetzt konnte nichts mehr schiefgehen.
Mehrere Reihen Misdever Gardisten betraten eben die Schwarze Strandläufer, ihre Habseligkeiten auf dem Rücken und in kleinen Säcken verstaut. Sie kehrten nach Misdev zurück, nun, da Alex sich am Hof von Costenopolis sicher fühlte. Nervosität beschleunigte meinen Herzschlag, als ich Jeck in seiner offiziellen Rolle entdeckte. Er blieb hinter Contessa und Alex stehen, und der Prinz verabschiedete sich offenbar von seinem liebsten Wächter. Auch Jeck reiste ab, und der kleine Haufen seiner Besitztümer wartete ein wenig abseits vom übrigen Gepäck darauf, verladen zu werden. Meine Sachen waren anscheinend schon an Bord, denn ich sah sie nirgendwo.
Jecks Anwesenheit war der Hauptgrund dafür, dass ich mich im Hintergrund hielt, während die letzten
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