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Die Geschichte Der Kinder Hurins. Sonderausgabe.

Die Geschichte Der Kinder Hurins. Sonderausgabe.

Titel: Die Geschichte Der Kinder Hurins. Sonderausgabe. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Ronald Reuel Tolkien
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der Eldar und Edain brachte den Vormarsch Morgoths zum Stehen, und die Orks wurden aus Beleriand zurückgedrängt. Darauf begannen manche von künftigen Siegen zu träumen: Die Niederlage in der Bragollach sollte wettgemacht werden, Maedhros sollte die vereinigten Heere in den Kampf führen, und Morgoth wollte man unter die Erde treiben und die Tore Angbands versiegeln.
    Die Klügeren jedoch blieben beunruhigt und befürchteten, Maedhros könne seine eigene Stärke zu früh offenbaren und Morgoth dadurch Zeit für Gegenmaßnahmen geben. Sie sagten: »Immer wird es so sein, dass in Angband neue arglistige Pläne ausgeheckt werden, von denen Elben und Menschen nichts ahnen.« Und im Herbst dieses Jahres zog, wie um ihre Worte zu bestätigen, unter bleiernem Himmel aus dem Norden ein übler Wind heran. Der Verfluchte Wind wurde er genannt, denn er trug die Pest mit sich; und imHerbst des Jahres erkrankten viele in den nördlichen Ländern, die an die Anfauglith grenzten, und starben. Und zum größten Teil traf es die Kinder und Heranwachsenden in den Häusern der Menschen.
    In jenem Jahr war Húrins Sohn Túrin erst fünf, und seine Schwester Urwen wurde zu Beginn des Frühlings drei Jahre alt. Urwens Haar war gelb wie die Lilien im Gras, wenn sie durch die Felder tollte, und ihr frohes Lachen war wie das Plätschern des Baches, der aus den Hügeln kam und an den Mauern ihres Vaterhauses vorbeifloss. Der Bach hieß Nen Lalaith, und nach ihm wurde das Kind von allen Hausbewohnern Lalaith genannt, denn immer wenn es da war, machte es ihre Herzen froh.
    Túrin hingegen war nicht so beliebt wie sie. Wie seine Mutter war er dunkelhaarig, und er schien auch ihr ernstes Gemüt geerbt zu haben. Er war nicht heiter, redete wenig, obwohl er früh sprechen lernte und immer älter wirkte, als er an Jahren war. Túrin vergaß Ungerechtigkeit und Spott nur schwer, aber das Feuer seines Vaters brannte auch in ihm, und er konnte wild und unbesonnen sein. Ebenso schnell jedoch empfand er Mitleid; Schmerz und Trauer anderer konnten ihn zu Tränen rühren, und auch darin glich er seinem Vater. Morwen hingegen war streng gegen sich selbst und gegen andere. Túrin liebte seine Mutter, denn sie sprach ehrlich und offen mit ihm, während er seinen Vater nur selten sah; denn Húrin war mit dem Heer Fingons, das die östlichen Grenzen Hithlums bewachte, oft lange von zu Hause fort. Kam er heim, beunruhigte und verwirrte er den Sohn durch seine schnelle Redeweise und seine Sprache, die voller fremdartiger Wörter, Scherze und Andeutungen war. Zu dieser Zeit galt Túrins ganze Zuneigung seiner SchwesterLalaith, doch er spielte nur selten mit ihr und zog es vor, sie ungesehen zu beschützen und sie zu beobachten, wenn sie im Gras oder unter den Bäumen entlanglief. Dabei sang sie Lieder, wie sie sich die Kinder der Edain vor langer Zeit auszudenken pflegten, als die Sprache der Elben noch frisch auf ihren Lippen war.
    »Schön wie ein Elbenkind ist Lalaith«, sagte Húrin zu Morwen, »doch, ach, so viel vergänglicher! Und darum schöner, vielleicht, oder teurer.« Und Túrin, der diese Worte gehört hatte, grübelte darüber nach, aber er fand keinen Sinn darin. Denn Elbenkinder hatte er nie gesehen. Zu dieser Zeit lebte keiner der Eldar im Land seines Vaters, und nur ein einziges Mal hatte Túrin sie erblickt, als König Fingon mit vielen seiner Fürsten durch Dor-lómin geritten war und sie die Brücke über den Nen Lalaith passiert hatten, schimmernd in Silber und Weiß.
    Doch bevor das Jahr vorüber war, erwies sich, dass sein Vater die Wahrheit gesagt hatte, denn der Verfluchte Wind kam nach Dor-lómin, und Túrin wurde krank und lag lange in Fieber und dunklen Träumen danieder. Und als er wieder gesund war, weil sein Schicksal es wollte und die Lebenskraft in ihm stark war, fragte er nach Lalaith. Doch die Kinderfrau antwortete: »Sprich nicht mehr von Lalaith, Sohn Húrins; nach deiner Schwester Urwen indes musst du deine Mutter fragen.«
    Und als Morwen zu ihm kam, sagte er zu ihr: »Ich bin nicht mehr krank und will Urwen sehen; aber warum darf ich nicht mehr Lalaith sagen?«
    »Weil Urwen tot und das Lachen in diesem Hause verstummt ist«, antwortete sie. »Doch du lebst, mein Sohn, und ebenso der Feind, der uns dies angetan hat.«
    Sie versuchte weder ihn noch sich selbst zu trösten, sondern ertrug ihren Kummer mit Schweigen und zu Eis erstarrtem Herzen. Húrin jedoch trauerte offen, und er nahm seine Harfe, um ein Klagelied

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