Die Geschichte Der Kinder Hurins. Sonderausgabe.
ein flammender Stern vom Himmel gefallen war; es vermochte jedes irdische Eisen zu spalten. Nur ein anderes Schwert in Mittelerde kam ihm gleich. Jenes andere Schwert kommt in dieser Geschichte nicht vor, auch wenn es aus demselben Eisen von derselben Hand geschmiedet worden war. Jener Schmied war Eol der Dunkelelbe, der Aredhel, Turgons Schwester, zum Weib nahm. Widerwillig hatte er Anglachel Thingol als Preis dafür gegeben, dass er in Nan Elmoth wohnen durfte. Doch das andere Schwert, Anguirel, sein Gegenstück, behielt er für sich, bis es ihm von seinem Sohn Maeglin gestohlen wurde.
Doch als Thingol Beleg das Schwert Anglachel mit dem Heft voran überreichte, blickte Melian auf die Klinge, und sie sprach: »Böses schlummert in diesem Schwert. Das Herz des Schmiedes wohnt noch darin, und jenes Herz war dunkel. Es wird die Hand nicht lieben, der es dient, und es wird auch nicht lange bei dir bleiben.«
»Dennoch will ich es führen, solange ich darf«, antwortete Beleg, und mit Dank an den König nahm er das Schwert und ging. Und unter vielen Gefahren suchte er kreuz und quer in Beleriand nach einer Spur von Túrin, aber vergeblich. Darüber vergingen der Winter und das folgende Frühjahr.
KAPITEL 6
TÚRIN BEI DEN GEÄCHTETEN
N un wendet sich die Erzählung wieder Túrin zu. Im Glauben, er sei ein Geächteter, den der König verfolge, kehrte Túrin nicht zu Beleg in die nördlichen Marken von Doriath zurück, sondern wandte sich nach Westen. Heimlich verließ er das »Land des Zauns« und kam in die Waldgebiete südlich des Teiglin. Dort hatten vor der Nirnaeth viele Menschen in verstreuten Gehöften gewohnt. Zum größten Teil gehörten sie zu Haleths Volk, doch sie hatten keinen Herrn und lebten von der Jagd und von der Landwirtschaft. Sie hielten Schweine, wo es Bucheckern gab, und in den Wäldern bestellten sie die Rodungen, die sie mit Zäunen gegen das Wild schützten. Aber inzwischen war einGroßteil von ihnen getötet worden oder nach Brethil geflohen, und über der ganzen Gegend lastete die Furcht vor den Orks und vor den Geächteten.
In jener Zeit des Zerfalls streunten viele Menschen heimatlos umher: Überlebende der Schlacht und ihrer Folgen, Flüchtlinge aus verwüsteten Landstrichen, und es waren auch einige darunter, die wegen ihrer Übeltaten in die Wildnis getrieben worden waren. Sie jagten und sammelten jegliche Nahrung, die sie finden konnten, doch viele verlegten sich auf die Räuberei und kannten kein Erbarmen, wenn der Hunger oder andere Not sie trieb. Im Winter fürchtete man sie am meisten, wie Wölfe, und darum wurden sie von denen, die Haus und Hof noch immer verteidigten, Gaurwaith, die Wolfsmänner, genannt. Ungefähr sechzig dieser Räuber hatten sich zu einer Bande zusammengeschlossen, welche die Wälder jenseits der westlichen Marken von Doriath unsicher machte. Sie wurden fast genauso gehasst wie die Orks; denn unter ihnen waren verbitterte Ausgestoßene, die Groll gegen die gesamte Menschheit hegten.
Der Grausamste unter ihnen war ein Mann namens Andróg, der aus Dor-lómin fortgejagt worden war, weil er eine Frau erschlagen hatte. Auch andere stammten von dort: Algund, der älteste der Bande, der aus der Nirnaeth geflohen war; oder Forweg, wie er sich selbst nannte, ein großer, starker Mann mit hellem Haar und glitzernden unsteten Augen, der weit von den ehrlichen Wegen der Edain aus Hadors Volk abgekommen war. Doch er konnte bisweilen noch klug und großmütig sein. Er war der Hauptmann der Bande, die nun durch Todesfälle aufgrund von Entbehrungen oder Kämpfen auf etwa fünfzig Mann geschrumpft war. Sie waren misstrauisch und sandten, ob sie umherzogen oder lagerten, Kundschafter aus und stellten Wachen auf. So wurden sie Túrins schnell gewahr, als er sich ihrem Lager näherte. Sie schlichen hinter ihm her, zogen einen Ring um ihn, und als er auf eine Lichtung in der Nähe eines Flusses trat, fand er sich plötzlich von Männern mit gespannten Bogen und gezückten Schwertern umzingelt.
Túrin, der stehen geblieben war, zeigte keine Furcht. »Wer seid ihr?«, fragte er. »Ich war der Meinung, nur Orks lauerten Menschen auf, doch ich sehe, dass ich mich geirrt habe.«
»Diesen Irrtum sollst du noch bereuen«, sagte Forweg. »Denn dies hier ist unser Gebiet, und wir erlauben anderen Menschen nicht, es zu betreten. Ihr Leben ist verwirkt, wenn sie kein Lösegeld zahlen.«
Darüber lachte Túrin. »Für mich werdet ihr keine Auslöse bekommen. Ich bin ein
Weitere Kostenlose Bücher