Die Geschichte des Chevalier des Grieux und der Manon Lescaut - Roman
all meinen Adern war zu spüren, wie mein Blut in Wallung geriet. «Und sie zu ihm?», unterbrach ich ihn ungestümer, als ratsam war, wenn ich denn Gewissheit haben wollte.
Meine Heftigkeit erschreckte ihn. Er antwortete mir mit verängstigter Miene, so weit sei er mit seinen Nachforschungen nicht vorgedrungen, doch habe er seit einigen Tage beobachtet, dass dieser Fremde regelmäßig den Bois de Boulogne besuche, dort aus seiner Kutsche steige und, während er sich allein in den Seitenalleen ergehe, eine Gelegenheit zu suchen scheine, Mademoiselle zu sehen oder auf sie zu treffen; so sei er darauf verfallen, das Gespräch mit dessen Bediensteten zu suchen, um den Namen ihres Gebieters in Erfahrung zu bringen; sie hätten ihn als einen italienischen Fürsten bezeichnet und selbst den Verdacht geäußert, dass er auf ein galantes Abenteuer aus sei; weitere Aufklärung habe er sich nicht verschaffen können, setzte er bebend hinzu, denn der Fürst habe sich, aus dem Wald hervortretend, ihm vertraulich genähert und ihn nach seinem Namen gefragt; und als habe jener erraten, dass er in unseren Diensten stehe, habe er ihn dazu beglückwünscht, der bezauberndsten Person der Welt zuzugehören.
Ungeduldig wartete ich, wie sein Bericht weiterging. Er schloss mit zaghaften Ausflüchten, die ich lediglich meiner unbesonnenen Erregtheit zuschrieb. Vergebens drang ich in ihn, rückhaltlos fortzufahren. Er beteuerte, weiter wisse er nichts, und da das, was er mir erzählt habe, erst tags zuvor geschehen sei, habe er die Bediensteten des Fürsten noch nicht wiedergesehen. Ich beruhigte ihn nicht nur mit lobenden Worten, sondern auch mit einer ansehnlichen Belohnung, und ohne mir das geringste Misstrauen gegen Manon anmerken zu lassen, ermunterte ich ihn ruhigeren Tones, sich über alle Schritte des Fremden auf dem Laufenden zu halten.
In Wirklichkeit hinterließ seine Ängstlichkeit bei mir schreckliche Zweifel. Sie mochte ihn bewogen haben, einen Teil der Wahrheit zu verschweigen. Nach einigem Nachdenken jedoch legte sich mein Argwohn, und es reute mich nun, ein derartiges Zeichen der Schwäche gegeben zu haben. Ich konnte Manon nicht als Verbrechen anlasten, dass sie geliebt wurde. Es hatte durchaus den Anschein, als wisse sie gar nicht um ihre Eroberung; und was für ein Leben müsste ich führen, wollte ich der Eifersucht so leichten Zutritt zu meinem Herzen gewähren?
Ich kehrte am folgenden Tag nach Paris zurück; ich hatte lediglich den Plan gefasst, mein Vermögen durch höheren Einsatz beim Spiel rascher zu vergrößern, damit ich beim kleinsten Anlass zur Beunruhigung von Chaillot fortgehen könne. Am Abend erfuhr ich nichts, was meine Gelassenheit hätte beeinträchtigen können. Der Fremde war wieder im Bois de Boulogne erschienen und hatte sich die Bekanntschaft vom Vortag zunutze gemacht, um sich meinem Vertrauten zu nähern und ihm von seiner Liebe zu sprechen, allerdings nicht mit Worten, die auf ein Einvernehmen mit Manon hätten schließen lassen. Er habe sich nach tausenderlei Einzelheiten erkundigt. Schließlich habe er versucht, ihn mit beträchtlichen Versprechungen auf seine Seite zu ziehen, einen fertigen Brief hervorgeholt und ihm vergebens einige Louisdor angeboten, damit er ihn seiner Gebieterin überbringe.
Zwei Tage vergingen ohne weiteren Zwischenfall. Der dritte dagegen verlief stürmischer. Ich erfuhr, als ich reichlich spät aus der Stadt zurückkehrte, dass Manon sich während ihrer Spazierfahrt einen Moment lang von ihren Begleiterinnen entfernt habe; der Fremde, der ihr in geringem Abstand gefolgt sei, habe sich ihr genähert, und zwar auf ein Zeichen hin, das sie ihm gegeben habe, und sie habe ihm einen Brief überreicht, den er mit überschwänglicher Freude entgegengenommen habe. Es sei ihm gerade die Zeit geblieben, dieser Ausdruck zu verleihen, indem er liebevoll ihre Zeilen küsste, denn sie sei sogleich davongeeilt. Doch während des restlichen Tages habe sie eine außerordentliche Fröhlichkeit an den Tag gelegt, und diese Stimmung habe sie, seit sie in die Wohnung zurückgekehrt sei, nicht mehr verlassen.
Es versteht sich, dass ich bei jedem Wort erzitterte. «Ist er wirklich sicher», so fragte ich traurig meinen Diener, «dass seine Augen ihn nicht getäuscht haben?»
Er rief den Himmel zum Zeugen für seine Aufrichtigkeit an. Ich weiß nicht, bis wohin meine Herzensqualen mich getrieben hätten, wäre nicht Manon, die mich hatte heimkehren hören, mit allen Zeichen der
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