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Die Geschichte des Chevalier des Grieux und der Manon Lescaut - Roman

Die Geschichte des Chevalier des Grieux und der Manon Lescaut - Roman

Titel: Die Geschichte des Chevalier des Grieux und der Manon Lescaut - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Manesse-Verlag
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überzeugen können, dass ich bereit sei, in den geistlichen Stand zurückzukehren. Und im Grunde lag es mir gar nicht fern, auch zu tun, was ich ihm versprechen wollte. Im Gegenteil, es war mir sogar sehr recht, mich einer ehrenhaften und vernünftigen Beschäftigung zu widmen, sofern sich dieses Bestreben mit meiner Liebe vereinbaren ließ. Ich hatte die Absicht, mit meiner Geliebten zu leben und zur selben Zeit meinen Reit- und Fechtübungen nachzugehen; es war leicht miteinander zu vereinbaren. Ich war so zufrieden mit all diesen Vorhaben, dass ich Tiberge versprach, noch am selben Tag einen Brief an meinen Vater abzuschicken.
    Nachdem ich mich von ihm verabschiedet hatte, betrat ich tatsächlich ein Schreibkabinett, und ich schrieb einen so sanften und ergebenen Brief, dass ich beim Durchlesen überzeugt war, damit beim väterlichen Herzen etwas zu erreichen.
    Wenngleich ich nach dem Abschied von Tiberge die Möglichkeit hatte, eine Droschke zu nehmen und zu bezahlen, machte ich mir ein Vergnügen daraus, mich erhobenen Hauptes zu Fuß zu Monsieur de T… zu begeben. Es machte mir Freude, meine Freiheit zu genießen, um die ich, wie mein Freund mir versichert hatte, nicht mehr zu fürchten brauchte. Doch auf einmal kam mir in den Sinn, dass seine Versicherungen nur Saint-Lazare betrafen und dass mir darüber hinaus die Geschichte mit dem Hôpital anhing, ganz zu schweigen von der Ermordung Lescauts, in die ich zumindest als Zeuge ebenfalls verwickelt war. Die Erinnerung daran versetzte mich in so lebhaften Schrecken, dass ich in die erstbeste Einfahrt trat, von wo ich mir eine Kutsche rufen ließ. Ich fuhr geradewegs zu Monsieur de T…, den ich mit meiner Angst zum Lachen brachte. Sie erschien mir selbst lachhaft, nachdem er mich darüber unterrichtet hatte, dass ich vonseiten des Hôpital wie auch vom Fall Lescaut nichts zu befürchten hätte. Er erzählte mir, er sei aus Besorgnis, man könne ihn verdächtigen, an der Entführung Manons beteiligt gewesen zu sein, am Morgen zum Hôpital gegangen, habe sie zu sehen verlangt und dabei so getan, als wisse er nichts von dem Vorgefallenen. Weit entfernt davon, uns, also ihn oder mich, zu beschuldigen, habe man sich im Gegenteil beeilt, ihm von diesem Vorfall als von einer unerhörten Neuigkeit zu berichten, und man habe sich gewundert, dass ein so hübsches Mädchen wie Manon sich darauf eingelassen habe, mit einem Bediensteten zu fliehen. Er habe sich mit der kühlen Antwort begnügt, dass ihn so etwas nicht überrasche, denn für die Freiheit tue man schließlich alles.
    Er erzählte mir ferner, dass er von dort zu Lescaut gegangen sei in der Hoffnung, mich dort mit meiner bezaubernden Geliebten anzutreffen. Der Hausbesitzer, ein Wagenbauer, habe ihm beteuert, weder mich noch sie gesehen zu haben; doch sei es gar nicht erstaunlich, dass wir nicht bei ihm erschienen seien, wenn wir denn um Lescauts willen gekommen wären, hätten wir doch zweifellos erfahren, dass er etwa zur selben Zeit umgebracht worden sei. Worauf er ihm auch ohne Weiteres erzählt habe, was er über Ursache und Umstände dieses Todes wusste.
    Etwa zwei Stunden zuvor war ein Leibgardist, ein Freund Lescauts, zu diesem auf Besuch gekommen und hatte vorgeschlagen, ein Spiel zu machen. Lescaut hatte so rasch gewonnen, dass der andere sich in einer Stunde um einhundert Ecu, nämlich all sein Geld, erleichtert fand. Als der Unglückliche sah, dass er nicht einen Sou mehr hatte, bat er Lescaut, ihm die Hälfte der Summe, die er verloren hatte, zu leihen. Daraus entstanden dann gewisse Verwicklungen, und es kam zu einem erbitterten Streit. Lescaut weigerte sich, nach draußen zu kommen, um sich einem Zweikampf zu stellen, und der andere schwor beim Aufbruch, ihm den Schädel einzuschlagen, was er dann am selben Abend auch ausführte.
    Monsieur de T… besaß die Freundlichkeit hinzuzusetzen, dass er im Hinblick auf uns höchst beunruhigt gewesen sei und er mir nach wie vor seine Dienste anbiete. Ich zögerte nicht, ihm unseren Zufluchtsort zu nennen. Er bat mich, mit uns gemeinsam zu Abend essen zu dürfen.
    Da ich nur noch Wäsche und Kleider für Manon zu besorgen brauchte, sagte ich zu ihm, wir könnten noch zur selben Stunde aufbrechen, wenn er so liebenswürdig sein wolle, mit mir kurz bei einigen Geschäften haltzumachen. Ich weiß nicht, ob er glaubte, ich mache ihm diesen Vorschlag, um seine Großzügigkeit in Anspruch zu nehmen, oder ob es aufgrund der einfachen Regung einer schönen Seele

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