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Die Geschichte einer Kontra-Oktove

Die Geschichte einer Kontra-Oktove

Titel: Die Geschichte einer Kontra-Oktove Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Boris Pasternak
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nicht erinnern, jemals solche Gewittergüsse erlebt zu haben.«
    »Wir gehen jetzt bergauf, weiter oben wird es trockener.«

    Die Ratsversammlung war längst beendet. Die Zunfund Innungsmeister hatten sich zu schwatzenden Grüppchen zusammengefunden, manche verließen schon den Saal, ohne ihre ungezwungenen Gespräche zu unterbrechen. Nur an der Tür stockten sie, um den jeweils Angeseheneren und Berühmteren den Vortritt zu lassen. Viele blieben noch mit Bürgermeister Tuch im Saal zurück. Einige schlenderten im vorderen, von Sesseln nicht verstellten Teil des Saals auf und ab. Die meisten umdrängten den Tisch, an dem Grüner, der Stadtnotarius, eilig eine Reinschrif des von der Stadtregierung soeben erlassenen Edikts anfertigte. Die Ratsversammlung war längst beendet, und viele Ratsherren begaben sich schon nach Hause, und die sinkende Sonne kämpfe noch wie eine riesige schwerfällige Hummel in der rechten Saalecke … Eine Volksansammlung unten auf der Straße zog die Aufmerksamkeit der im Saal Umherschlendernden an. Einer nach dem andern traten sie an die Fenster. Auch die bei Gruner am Tisch Stehenden und ihn zur Eile Antreibenden begaben sich nach und nach zu den Fenstern hinüber. Gruner blieb allein am Tisch sitzen, alle Augenblicke schob er den ihm in die Stirn fallenden blonden Haarschopf zurück, sein Gänsekiel tanzte schwungvoll über das dicke Papier, das sich unfolgsam krümmte und es kapriziös darauf abgesehen hatte, sich aufzurollen. Die Prozession unten auf der Straße schleife einen prächtigen Schweif von Gaffern und Müßiggängern mit sich, schwenkte ab und bog um die Ecke.

    Die Ratsherren wandten sich erneut dem Tisch zu. »Was ist da unten los?« fragte Gruner die Herankommenden.
    »Die Zigeuner sind schon da. Bald fertig, Gruner?«
    »Gleich, gleich.«
    »Schon gut, wir werden Sie nicht stören.« »Erinnern Sie sich noch an die Bärin auf der vorigen Kirmes, Sturz wage?«
    »Ja natürlich, aber eben habe ich sie nicht gese-
hen.«
»Ich auch nicht.«
    »Die Bärin war auch nicht dabei. Schade. Ein prachtvolles Tier!
    Aber sonst ist alles genau wie voriges Jahr: Kamel, Affen …«
    »Jaja, genau wie immer, Kamele und Affen.« »Na, Gruner?«

    Die Leute standen auf der abgemähten Wiese, die Gesichter der untergehenden Sonne, die Rücken den ständig Neuhinzukommenden zugekehrt. Vor ihnen die Zigeuner mit ihren Tieren und die blutige Sonne, die geradewegs in das Dickicht des Johannisbeergebüschs fiel wie ein noch dampfendes ausgeweidetes Rind, das die verkrüppelten, zerknickten Sträucher unter sich zusammendrückte. Nur der langgesichtige Kopf des Kamels ragte über die Menge hinaus, schwamm über ihr. Das Kamel trug seinen langen Schädel flach auf dem leise schwankenden Hals durch die Menge, so wie Tabletts und Tragbretter auf den offenen Handflächen der Diener liegen, die der Truchseß an der Schulter führt. Immer neue Schaulustige traten, von den Drehorgelklängen angelockt, durch das Hofor. Das ganze Wirtshaus war schon versammelt. Das Gesinde stand abseits von den fremden Herrschafen zusammengedrängt auf einer kleinen Anhöhe. Die Fremden, einzeln oder paarweise, hatten weniger gute Sicht. Ein paar Nachzügler, die noch am Herd oder in der Garderobe aufgehalten worden waren, rannten, einander zulachend und -rufend, über den Hof und liefen rasch, ohne sich umzusehen, auf die Wiese hinaus.
    Die Menge stand mit dem Rücken zu den Neuankömmlingen, die Gesichter den Tieren und der Sonne zugewandt. Dunstig-himbeerfarbene Strahlen leuchteten hefig und leidenschaflich über die Wiese. Die Stiefel der Zigeuner stampfen im roten, spärlichen und honigzähen kurzgeschorenen Gras. Auf einem Karren stand ein Verschlag, dessen eine Seite mit eisernen Gitterstäben versehen war. Auf dem Dach des Verschlages lärmten, grimassenschneidend und einander das Fell kratzend, nackte Affen. Der bläuliche Schimmer auf ihren graufarbenen Gesichtern war so dunkel, wie ein altes Siegel dunkel sein muß von ewig menschenscheuer Weisheit. Verdrießlich und mißvergnügt blinzelnd, hörten sie der langgezogenen Drehorgelmusik zu, als hätten sie diese Musik in ihren haarigen Affen-Mutterleibern ausgetragen. Die Menge stand den Tieren und der Sonne zugewandt; auch der alte Erzieher stand auf der kleinen Anhöhe, die das Gesinde für sich beschlagnahmt hatte. Die dunstig-himbeerfarbenen Sonnenstrahlen verfingen sich in den Dornen der Sträucher. Die Rinde des wilden Birnbaums, gedörrt im

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