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Die Geschichte eines schoenen Mädchens

Die Geschichte eines schoenen Mädchens

Titel: Die Geschichte eines schoenen Mädchens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rachel Simon
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seine eigenen Gebärden erinnerten – er beugte die Ellbogen, rieb seine Finger, drehte die Handflächen nach außen, klopfte auf seine Brust, ließ die Schultern sinken und den Kopf kreisen. Es war aufregend, diese vertrauten Bewegungen zu sehen, aber sie bedeuteten nichts. Sie ähnelten jenen, die der Offizielle im Knast an ihm ausprobiert hatte.
    Homan sah die Schal-Lady an. Ihr Blick fixierte ihn, aber er verstand nichts. Langsam wandte er sich Indianerschopf wieder zu, der die Hände sinken ließ.
    Homan schaute von einem zum anderen. Sie warteten.
    Dann tat Homan etwas, was er seit seinem Zusammensein mit dem schönen Mädchen nicht mehr gemacht hatte – er signalisierte einen ganzen Satz: Deine Gebärden ergeben keinen Sinn.
    Indianerschopf warf der Schal-Lady einen ratlosen Blick zu und vollzog noch ein paar sinnlose Gesten.
    Machte er sich über Homan lustig? Alle sahen aus, als würden sie warten, nur worauf ?
    Warum machst du dich über mich lustig?
    Indianerschopf bewegte die Hände.
    Ich bin kein Dummkopf.
    Homan ergriff die Flucht, setzte sich in den Wagen und schlug die Tür zu. Die Schal-Lady hatte wirklich Nerven, ihn so vorzuführen. Und Kate und Queen hatten das Ganze tatenlos mitangesehen! Homan hoffte nur, ihnen tat es leid, dass man ihn zum Narren gemacht hatte. Er wollte nur noch weg von hier und die Schal-Lady nie wiedersehen. Wieder faltete er die Arme vor der Brust und starrte schäumend vor Wut geradeaus. Etliche Minuten vergingen, bis er über die Schulter spähte und sah, dass die vier nach wie vor zusammenstanden und lange Gesichter machten, als ob sie eine Enttäuschung erlebt hätten. Er lehnte sich an die Tür und drückte die Wange an die Fensterscheibe. Er wünschte, er hätte das Prickel-Kraut dabei.
    So verpasste er, was dann geschah.
    King und Queen verabschiedeten sich von der Schal-Lady und Indianerschopf. In diesem Augenblick schaute ein junger Mann auf, der an einem Schreibtisch im Haus arbeitete, und warf einen Blick aus dem Fenster. Er entdeckte ein bekanntes Gesicht in einem Auto – jemanden, der sich selbst tröstete, indem er das Gesicht an die Scheibe schmiegte. Der junge Mann wirbelte herum und rollte mit halsbrecherischer Geschwindigkeit den Flur entlang und erreichte die Tür, als seine Kollegen das Haus betraten.
    In dieser Nacht wurde Homan von einem Traum heimgesucht.
    Er begann an einem öden, unwirtlichen Ort – das wüstenähnliche Land mit braunem Sand und dürren Büschenwar abschüssig wie die Rampe neben dem einstöckigen Haus, und dem Himmel war nicht anzusehen, ob es Tag oder Nacht war. Homan hatte eine Weinflasche in der Hand. Ein Mann erschien in weiter Ferne und kam langsam näher. Homan, der keine Verwendung für den Wein hatte, beschloss, ihn dem Fremden als Geschenk anzubieten. Dann erkannte Homan den Blinden, der mit seinem Hund vor dem Gebäude gewesen war. Er klatschte in die Hände, damit ihn der Blinde in der Wüste finden konnte. Der Blinde drehte sich zu ihm und machte Gesten; seine Gebärden ergaben einen Sinn: Du bist nicht am Ende. Du hast noch einen langen Weg vor dir.
    Plötzlich sah Homan, dass der Blinde von Menschen umringt war, die er kannte. Alle hatten eine Behinderung: Shortie, Wirbelnder Kreisel und Mann-wie-ein-Baum. Sam. Die McClintock-Jungs. Und da war Blue. Blue! Er rannte auf Homan zu – sein Gesicht strahlte die Liebe des großen Bruders aus. Er kam ganz nah, seine Hände sprachen aufgeregt und schnell.
    Erzähl mir, was du gemacht hast, kleiner Bruder. Du allein in der großen weiten Welt. Sag mir, was du gesehen hast.
    Du fehlst mir so sehr , signalisierte Homan. Tränen benetzten sein Gesicht.
    Ich vermisse dich auch. Aber ich kann nicht da sein – nur durch dich. Du musst es für uns beide machen. Er bezog mit einer weiten Handbewegung die anderen mit ein. Für uns alle.
    Was muss ich machen?
    Gewinnen.
    Was meinst du damit?
    Du weißt, was gewinnen heißt.
    Nein! Sag es mir!
    Blue kam ihm so nahe, dass er nichts anderes mehr sah als sein Gesicht. Lass dich nicht in die Knie zwingen – von niemandem, nicht einmal von dir selbst.
    Homan schreckte aus dem Schlaf. Er war in seinem kleinen Haus, in seinem Bett. Aber er atmete schwer und war in Schweiß gebadet. Es war wunderbar gewesen, die verlorenen Freunde wiederzusehen. Aber Blues Worte hatten das namenlose Gefühl in Brand gesteckt, und jetzt loderte es heiß in ihm. Er lag da, starr und nass, und versuchte, Argumente zu finden, die ihn beruhigen konnten. Er

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