Die Geschichte eines schoenen Mädchens
Lynnie … war wunderschön.«
Julia weinte immer noch, aber nun schimmerte ein Lächeln durch die Tränen.
Am nächsten Tag gingen Martha und Pete mit Reuben am Strand spazieren, während Julia in der Schule war. Mit Rodney hatten sie seinerzeit täglich zwei Meilen zurückgelegt. Doch als Rodney starb und sie Reuben zu sich nahmen, waren Marthas Schritte schon ziemlich langsam geworden, also beschränkten sie ihre Ausflüge auf eine halbe Meile. Inzwischen gingen sie nur noch ein ganz kurzes Stück am Strand entlang.
Martha sagte: »Als wir uns kennenlernten, hast du vorausgesagt, dass Julia einmal viele Herzen brechen wird. Ich glaube, ihr eigenes ist das erste.«
Pete sah sie an, während Reuben zum Wasser rannte. »Als Gary in ihrem Alter war, hat er alles gehasst, was wir gemacht haben. Man muss nur durchhalten – wenn sie die schwierige Phase überstanden haben, werden sie wieder menschlich.«
»Damals warst du jung. Du hattest Zeit, die mir vielleicht nicht mehr bleibt.«
»Ich werde für sie da sein, falls dir etwas passiert.«
»Du bist nicht jünger als ich.«
»Es gibt ja auch noch Gary. Er und Jessica haben erklärt, dass sie sich ihrer annehmen, wenn es nötig ist.«
»Denver ist so weit weg. Und sie kennt die beiden kaum.«
»Es wird sich alles fügen.«
»Versprich mir nur eines.«
»Was?«
»Wenn ich gehen muss, solange sie noch … so wie jetzt ist …«
»Hör auf, so zu reden.«
»Das muss ich. Ich muss mir Gedanken darüber machen, wie du dich verhalten sollst.«
»Sie wird diese Phase bald überwunden haben.«
»Ich weiß nicht so recht.« Martha drehte sich zu ihm und nahm mit einem traurigen Lächeln seine Hände in ihre. »Versprich mir, dass du ihr nichts sagst, bis sie reif genug für die Wahrheit ist.«
Er strich ihr das weiße Haar aus dem Gesicht. Unter seinen Händen kam sie sich schön vor, und sie erkannte Liebe in seinen Augen. Sie fühlte sich gebrechlich und machte sich Sorgen, aber sie war überzeugt, dass sie das Richtige von Pete verlangte.
»Okay«, sagte er schließlich. »Ich versprech’s.«
Plötzlich wurde Martha leicht ums Herz. Alles erschien so, wie es sein sollte. Es war wie am letzten Schultag vor den großen Ferien, wenn sie am Fenster stand und zusah, wie sich das letzte Kind auf den Heimweg machte – damals wie heute wusste sie, dass sie ihr Werk getan hatte.
Zeig mir dein Zeichen
1988
Homan erwartete niemanden an diesem Morgen. Es war sein freier Tag, und er begann diese Tage gern damit, an den Rand seiner Schlafmatte zu rutschen, sich einen Joint zu drehen und den prickelnden Rauch in sich aufzunehmen. Danach beschäftigte er sich mit seinen eigenen Projekten. Für heute hatte er sich vorgenommen, seinen neuen Regenrinnenreiniger zu testen – einen langen Stab mit einer beweglichen Metallklaue an einem Ende. Er hatte Wochen daran gearbeitet und war noch immer nicht ganz fertig – oder vielmehr, er hatte viel zu selten daran gearbeitet. Das lag an der Wirkung, die der prickelnde Rauch auf Menschen ausübte; es machte ihm nichts aus, den ganzen Tag herumzuliegen und in den Fernseher zu schauen.
Zum Glück störte sich King nicht an dem würzigen Geruch, den Homan mit sich umhertrug; er war viel zu sehr damit beschäftigt, Gäste zu begrüßen, wenn sie in ihren schicken Autos vorfuhren, und in den Raum mit dem Bambusboden zu führen. Dann schlug er auf einen Gong, und alle gingen auf die Knie und atmeten ein und aus. Und die Queen vergrub sich in ihrer Büroarbeit. Ansonsten war niemand mehr da. Auch die Farm gab es nicht mehr. King und Queen waren weiter nach Norden gezogen, und da Homan ein zuverlässiger, fleißiger Arbeiterwar, hatten sie ihn mitgenommen. Zwar hatte er auf der Farm Felder bewirtschaftet, aber hier – in einem weitläufigen, von Eichen und Pinien umgebenen Holzhaus in den Bergen mit Matten auf den Böden und Statuen von einem kahlköpfigen dicken Mann in den Schlafräumen, in denen die Gäste, manche von ihnen Schauspieler, die er aus dem Fernsehen kannte, untergebracht wurden – fungierte er als Hausmeister und sorgte für Sauberkeit. Es war ein zufriedenstellendes Arrangement. Homan arbeitete sechs Tage in der Woche, und dafür durfte er ein eigenes kleines Haus hinter dem Haupthaus bewohnen, bekam Reis und Gemüse, und niemand machte Theater wegen seiner Prickel-Zigaretten, für die er Pflanzen in seinem eigenen Garten anbaute. Das ist das Leben , dachte er, wenn er überhaupt einmal dachte. Allerdings gehörte
Weitere Kostenlose Bücher