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Die Geschichte eines schoenen Mädchens

Die Geschichte eines schoenen Mädchens

Titel: Die Geschichte eines schoenen Mädchens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rachel Simon
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sah zu, wie das Laub fiel.
    Kann das sein?
    Nein. Er bildete sich bestimmt nur ein, dass hinter dem Blätterregen ein dunkelhaariger Mann in seinem Stuhl saß und grinste. Wahrscheinlich war Homan so unzufrieden mit sich, dass er schon im Wachzustand Alpträume hatte.
    Die Blätter lagen auf der Erde.
    Das Gesicht grinste immer noch.
    Er schien eine Ewigkeit zu brauchen, bis er die Finger aus den Ringen befreit hatte. In Wirklichkeit dauerte esnicht länger als die paar Momente, die Sam brauchte, um vorwärts zu rollen.
    Homan ahnte nicht, dass noch mehr auf ihn zukommen sollte. Sam war hier, und nicht nur das, er hatte zwei Schokoriegel mitgebracht – seine Lieblingsriegel in der silbernen und blauen Verpackung. Das genügte Homan. Klar, zu erfahren, warum ihm der Mann vor Jahren die Tür vor der Nase zugeschlagen hatte, wäre schön. Genauso gern hätte er gewusst, was Sam in all der Zeit getrieben und wie er ihn hier in den Bergen gefunden hatte. Aber es war schon großartig, Sam zu sehen und Schokoriegel für sie beide auszupacken. Homan lachte nur, und Sam lachte auch. Als Homan seinem Freund den ausgepackten Riegel zwischen Daumen und Zeigefinger klemmte, brachen sich die Erinnerungen Bahn: Nächte unter dem Sternenhimmel; Homan, der Sam beibrachte, wie man Feuer machte; Sam, der schlüpfrige Zeitschriften kaufte; sie beide, wie sie der schwebenden, leuchtenden Plastiktüte nachsahen.
    Wie hat er dich gefunden? Wie ist er hergekommen? Das spielt alles keine Rolle. Er ist hier.
    Sam biss ein kleines Stück von dem Schokoriegel ab. Homan nahm so viel von seinem in den Mund, wie er konnte, und kaute mit geschlossenen Augen. Die Schokolade war so gut, wie er sie im Gedächtnis hatte. Und Sam war immer noch der alte Sam. Homan schluckte und öffnete die Augen.
    Sam hatte noch fast den ganzen Riegel in der Hand. Sein Blick war auf einen Punkt hinter Homans Schulter gerichtet.
    Homan drehte sich um.
    Indianerschopf stand hinter ihm, genau wie King und Queen. Und bei ihnen war ein Mädchen in einem gelben Kleid.
    Homan wirbelte zu Sam herum. Sam sah ihn freundlich an, gleichzeitig sagte er etwas zu den anderen. Dann stellten sich Indianerschopf und das Mädchen neben Sam.
    Homan sah von einem zum anderen, und das Gefühl der Inkorrektheit durchdrang ihn wie der würzigste Prickelrauch, den es geben konnte – es zerriss seine Lunge und verbrannte seine Brust. Er wollte es hinunterschlucken. Er wollte weglaufen. Aber Sam ist hier! Selbst wenn Sam mit diesen Typen befreundet ist – und das muss so sein; wie sonst hätte er erfahren, dass ich hier bin? – , er ist immer noch Sam.
    Sam zeigte ihm den Schokoriegel. Dann hob er die Arme, wie er es so oft auf ihrer Reise gemacht hatte, und bat Homan damit: Zeig mir dein Zeichen.
    Sam kannte seine Geste für Süßigkeiten, es sei denn, er hatte sie vergessen. Natürlich hatte er sie vergessen. Sie hatten sich eine Ewigkeit nicht gesehen. Aber was hatten Indianerschopf und das Mädchen mit dem gelben Kleid damit zu tun? Wieso waren King und Queen auch hier draußen? Homan kam sich vor wie eine Kreatur bei einer Tierschau.
    Zeig mir dein Zeichen.
    Homan dachte an den Spaß, den sie gehabt hatten. Homan hatte immer getan, was Sam wollte, das war heute nicht anders, auch wenn ihr Abenteuer damit geendet hatte, dass Homan schluchzend vor einer Tankstelle hockte. Sam hatte damals nicht gewollt, dass der Mann die Haustür zumachte. Wäre es nach ihm gegangen, hätte er Homan hereingebeten, wäre mit ihm zum Van zurückgegangen und bei ihm geblieben . Sam hatte an diesem schrecklichen Tag keine Wahl gehabt.
    Aber Homan konnte selbst entscheiden.
    Auch wenn er keine Münze werfen konnte und benommen und verschwitzt war, innerlich brannte und sichschrecklich einsam fühlte, konnte er zwischen Zweifel und Vertrauen wählen.
    Er drückte die Fingerspitzen zusammen, so dass sie aussahen wie ein Vogelschnabel, führte sie an den Mund, kaute und schmatzte dabei mit den Lippen.
    Dann tat Sam etwas äußerst Seltsames. Er sah Indianerschopf an und bat ihn mit den Händen: Zeig mir dein Zeichen .
    Indianerschopf beugte sich zu Sam, legte den Zeigefinger an einen Mundwinkel und drehte ihn.
    Homan stockte der Atem. Er sah Sam wieder an.
    Sam deutete auf seinen Schokoriegel und schaute Indianerschopf fragend an.
    Indianerschopf nickte und richtete sich auf. Er nahm Sam den Schokoriegel aus der Hand und biss hinein. Während er kaute, machte er einen Schnabel mit den Fingern, hob sie an den Mund

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