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Die Geschichte eines schoenen Mädchens

Die Geschichte eines schoenen Mädchens

Titel: Die Geschichte eines schoenen Mädchens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rachel Simon
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hatte ein Dach über dem Kopf, Essen im Bauch, Geld in seinem Sessel. Er hatte zwei freundliche, respektvolle Arbeitgeber – sogar noch nach dem katastrophalen Ausflug in die Stadt. Er konnte sich seine Zeit selbst einteilen und so viel Prickelkraut anbauen, wie sein Herz begehrte, und er durfte diesen Ort jederzeit verlassen, wenn er wollte. Wieso hatten dann Blues Worte dieses namenlose Gefühl hervorgerufen?
    Dann fiel ihm ein, dass er in seinem Traum zwei Gesichter nicht gesehen hatte.
    Er legte die Hand an den Hals. Feh , sagte er und erinnerte sich an die Berührung ihrer Hand an dem Tag im Maisfeld. Feh eh . Er spürte Vibrationen und wusste, dass er seine Stimme benutzt hatte. Seit zwanzig Jahren hatte er sich um Vergessen bemüht. Es war, als würde er einen verschwundenen Traum zurückholen.
    Er nahm die Hand vom Hals und verstand endlich, was das namenlose Gefühl bedeutete. Er hatte nicht das getan, wozu er so fest entschlossen gewesen war. Er hatte ihre Erwartungen enttäuscht. Seit Jahren hatte er nicht einmal versucht, an seiner eigenen Zeichnung zu arbeiten. Der Name des Gefühls war Scham.
    Als der Tag anbrach, war seine Stimmung auf dem Nullpunkt. Er stand rasch auf, verzichtete auf seine Prickel-Zigarette und ließ den Fernseher aus. Er zog sich an, spritzte sich Wasser ins Gesicht und rasierte sich hastig – allerdingsnicht so hastig, dass keine Zeit geblieben wäre, sein Gesicht im Spiegel zu betrachten.
    Sein Haar war graumeliert, und er hatte Falten um Augen und Mund. Er war immer noch schlank, und mit achtundfünfzig hatte er schon viele Jahre länger auf dieser Erde gelebt als Blue. Aber was hatte Homan in all der zusätzlichen Lebenszeit erreicht? Ja, er hatte eine Unterkunft. Aber er konnte weder lesen noch mit Geld umgehen, weder irgendjemanden verstehen noch sich selbst verständlich machen. Sein Gesicht war alt, doch er dachte nicht an sein Alter. Ihn beschäftigte vielmehr, dass so viele Jahre vergangen waren, ohne dass er dem schönen Mädchen auch nur ein kleines Stück näher gekommen war als damals, als ihn der Fluss mitgerissen hatte.
    Er zog seine Jacke an. Er hatte genügend Dinge begonnen, ohne sie zu Ende zu führen.
    Er machte sich mit wütendem Eifer an die Arbeit. Dabei wollte er die Böden nicht blanker wienern als sonst. Er hatte nur die Nase so voll von sich selbst, dass er sich mehr anstrengen und schneller sein wollte. So entschlossen zu arbeiten, war fast so gut, wie gegen Bäume zu treten.
    Homan beendete seine Arbeit im Haus früher denn je, dann nahm er ohne Pause seine Aufgaben im Freien in Angriff. Er fegte die Wege vehementer als jemals zuvor und riss das Unkraut mit größter Entschiedenheit aus der Erde. Danach holte er seinen Regenrinnenreiniger aus dem Schuppen. Es kam ihm in den Sinn, dass er in seinem Zustand vielleicht zu grob damit umgehen und die bewegliche Klaue kaputt machen könnte – und wenn schon? Dann musste er eben die Leiter hinaufsteigen und die Arbeit mit den Händen verrichten. Vielleicht würde er vom Dach fallen. Vielleicht sollte er vom Dach fallen.
    Er stand auf dem Patio vor dem Speisesaal, nahm seine Erfindung und fuhr den Stab aus, bis er zur Dachrinnereichte. Dann klappte er das untere Teil auf und schob die Finger in die Ringe, mit denen man die Klauen am anderen Ende bewegen konnte. Er war derart von seiner Wut gefangen genommen, dass er nicht mitbekam, wie die Lichter im Speisesaal blinkten. Er konzentrierte sich auf seine Finger, bewegte sie rauf und runter, bis die Klaue Eichenblätter zu fassen bekam. Er kippte die Stange zur Seite und ließ das Laub auf den Boden fallen.
    Jetzt wusste er, dass seine Erfindung funktionierte. Doch diese Erkenntnis machte ihn nicht froh – und das Ergebnis war ja auch nicht zufriedenstellend. Sie hatte nur drei Blätter aus der Rinne geholt. Doch nicht das Gerät brauchte eine Justierung. Er selbst musste besser agieren.
    Er holte Luft und bemühte sich, seine Erfindung besser kennenzulernen. Du musst die Finger auf und ab bewegen, aber behutsamer. Und in diesem Winkel. Nicht mit geschlossenen Fingern. Na bitte. Das fühlt sich an, als hätte die Klaue einen großen Packen Laub erwischt. Vielleicht erreichst du wenigstens mit diesem Ding etwas Sinnvolles. Vielleicht bist du doch kein verdammter Niemand. Sieh her: Du holst einen ganzen Ballen Blätter aus der Rinne und hebst sie wie ein Kran zur Seite. Dann öffnest du die Klaue. Siehst du, wie viele Blätter jetzt auf die Erde flattern?
    Er

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