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Die Geschichte eines schoenen Mädchens

Die Geschichte eines schoenen Mädchens

Titel: Die Geschichte eines schoenen Mädchens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rachel Simon
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Lynnie.
    »Dort willst du Urlaub machen?«
    »Wo ist das?«, wollte Carmen wissen.
    »An der Küste in Jersey«, erklärte Hannah. »Das waren die einzigen Ferien, die meine Familie machte, solange … bevor Lynnie in die Schule kam.« Hannah beäugte Lynnie skeptisch. »Weshalb möchtest du ausgerechnet dorthin?«
    Sehr gern hätte sie der Schwester den wahren Grund genannt. Aber sie hatte Hannah so lange keinen reinen Wein eingeschenkt, dass sie sich nicht vorstellen konnte, es jetzt zu tun. Also nahm sie zur halben Wahrheit Zuflucht. »Um Spaß zu haben.«
    Antoine sagte: »Urlaub für drei Personen, noch dazu am Strand – das kostet …«
    »Wir könnten außerhalb der Saison hinfahren«, schlug Hannah vor.
    »Trotzdem wird es Zeit brauchen, so viel Geld aufzubringen.«
    Lynnie wiederholte: »Ich möchte selbst für die Kosten aufkommen.«
    »Aber wie, Lynnie?«, fragte Hannah.
    »Du könntest meine Bilder verkaufen.«
    »Ist das dein Ernst?«
    »Ja.«
    »Aber du hast immer gesagt, dass du alles behalten willst, weil du all die Jahre in der Schule nie etwas für dich haben durftest.«
    »Ich möchte Bilder verkaufen, um diesen Urlaub machen zu können.«
    »Bist du sicher?«
    Lynnie nickte.
    »Und wie soll Hannah das machen?«, wollte Carmen wissen. »Soll sie die Bilder auf Sweatshirts drucken lassen?«
    »Nein«, sagte Lynnie. »Ich habe eine bessere Idee.«
    Bei der Ausstellungseröffnung drängten sich die Leute in den Räumen der Galerie in Ithaca.
    »Ich liebe diese Werke«, schwärmte eine groß gewachsene Frau mit dreieckigen Ohrringen.
    »Ich hatte mit naiver Kunst gerechnet«, sagte ein Mann, in dessen Brusttasche ein Taschentuch steckte. »Aber die Bilder erinnern mich an Howard Pyle, N. C. Wyeth, Frank Schoonover.«
    »Die Brandywine School.« Ein Mann mit kahl rasiertem Schädel nickte weise. »Die großen Buchillustratoren.«
    Hannah reichte Lynnie einen Teller mit Käse und Crackern und sagte zu denen, die um sie herumstanden: »Die Künstlerin hat sich im Laufe der Zeit enorm entwickelt.«
    »Ich dachte, Außenseiterkunst wäre dilettantisch«, sagte der Mann mit dem Taschentuch. »Dies hier bewirkt einen Paradigmenwechsel.«
    Lynnie verstand kein Wort. Sie wusste nur, dass Hannah und sie Monate gearbeitet hatten, um diese Ausstellung möglich zu machen. Zuerst mussten sie die Bilder aussuchen, die Lynnie verkaufen wollte, doch als Hannah darauf hinwies, dass meistens mehrere Bilder zusammengehörten und eine Geschichte erzählten, die sie nicht auseinanderreißen sollten, beschloss Lynnie, all ihre Bilder zum Verkauf anzubieten – alle bis auf eine Geschichte, die Hannah nicht kannte. Hannah regelte alles, damit der Verkaufserlös die staatliche Unterstützung, die Lynnie erhielt, nicht minderte. Sie setzten ein Datum für die Eröffnung fest, und Hannah lud alle ein, die sie kannte. In den letzten Wochen und Tagen vor der Vernissage wurden LynniesBilder gerahmt und an die Wände der Galerie gehängt. Artikel über die neu entdeckte Malerin erschienen in den Zeitungen. Und jetzt waren sie hier.
    Die vielen Fremden schüchterten Lynnie ein, und sie beschränkte sich darauf, etwas abseits zu stehen und zu beobachten, wie sie durch die Räume schlenderten, die Bilder betrachteten und Dinge sagten wie: »Nicht auszudenken, dass Hannah so lange auf diesem Schatz gesessen hat!«
    »Wie geht’s dir?«, fragte Hannah, als sie mit einem Weinglas in der Hand auf Lynnie zukam.
    »Gut.«
    »Das möchte ich meinen. Wahrscheinlich schwebst du auf Wolke sieben.«
    »So ungefähr.«
    »Hey, was könnte es Besseres geben als so einen Erfolg?«
    Lynnie wusste es, sie hatte jedoch nicht vor, das preiszugeben. »Es ist ein großer Tag«, sagte sie.
    »Freut mich, dass du so denkst, denn ich habe eine Frage an dich.«
    Lynnie hatte keine Ahnung, was Hannah im Sinn hatte, und senkte den Blick auf den Käseteller in ihren Händen.
    »Du machst das alles, um uns ein wirklich schönes Geschenk zu machen. Aber du weißt, dass ich dich immer zum Essen einlade, wenn wir uns sehen. Dir muss klar sein, dass es John und mir eine Freude wäre, die Kosten für deinen Urlaub zu übernehmen. Du hättest die Bilder behalten und trotzdem Ferien in Jersey machen können. Warum hast du dich dazu entschlossen, deine Kunstwerke zu verkaufen? Es ist eine sehr großzügige Geste für Kate und mich, aber ich verstehe sie nicht.«
    Lynnie sagte sich: Du kannst ihr nicht eröffnen, dass es zwei Arten von Hoffnung gibt; sie würde fragen,

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