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Die Geschichte eines schoenen Mädchens

Die Geschichte eines schoenen Mädchens

Titel: Die Geschichte eines schoenen Mädchens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rachel Simon
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wiederholte Homan die Prozedur. Langsam dämmerte es Sam. Homan forderte ihn mit einer Geste auf, es auch zu versuchen. Sam strengte sich an, aber schließlich schüttelte er den Kopf.
    Sie verließen den Highway und kamen in eine Stadt. Sam dirigierte sie durch etliche Straßen, bis er auf einen Parkplatz zeigte und Homan anhielt. Sie standen vor einem großen Gebäude mit nur einer Außenstufe. Es war kein Wohnhaus – Gott sei Dank. Aber was war es dann?
    Sam richtete den Stock auf die eine Stufe. Natürlich, er brauchte Hilfe, um in das Haus zu gelangen, und Homan konnte sie ihm geben – schließlich hatte er den Mann-wie-ein-Baum im Knast oft mitsamt Rollstuhl etliche Treppen hinaufgehievt. Homan legte die Rampe an den Van und rollte Sam hinaus, dann drehte er ihn um und zog ihn rückwärts die Stufen hinauf.
    Sie betraten einen großen, kühlen Raum mit Steinboden, hoher Decke und einer langen hüfthohen Theke mit Schaltern. Homan wusste, dass sie sich in einer Bank befanden, obwohl er nie zuvor in einer gewesen war.
    Er schob Sam zu einem der Schalter. Die Lady sah Homan an, doch der deutete mit dem Kinn auf Sam. Sie beugte sich vor. Er redete mit ihr, dann bat er Homan,etwas aus dem Beutel zu holen, der an seinem Gürtel befestigt war. Dort bewahrte er auch den Autoschlüssel auf. Homan nahm eine Brieftasche und ein dünnes Heft heraus und übergab beides der Lady. Sie schob ein Papier über die Theke, und Sam unterschrieb. Den Stift hielt er – genau wie den Schokoriegel – zwischen Daumen und Zeigefinger, dann nahm er ein Kuvert mit Geld entgegen.
    Es wurde immer interessanter.
    Als Nächstes machten sie bei einem Geschäft halt. Homan verglich den Laden mit den vielen Gängen mit einem Maisfeld, nur gab es hier keine Halme, sondern hohe Regale mit Wäsche, Geschirr, Schürzen, Waschmittel und allem, was man brauchen könnte – gestapelt, verpackt und mit Preisschildern versehen.
    Homan schob den Rollstuhl durch die Gänge, und Sam deutete mit dem Stock auf die Dinge, die er haben wollte. Homan legte alle in den Einkaufswagen, den er nach sich zog: Spiritus, Dosen, Topf, Campingmesser, Taschenlampe, Feuerzeug, Schaumgummi für Sam, einen Schlafsack für ihn, Decken, Kissen. Demnach war dies nicht ihr letzter gemeinsamer Tag. Homan hätte beinahe vor Freude in die Hände geklatscht.
    Danach statteten sie einem Secondhandladen einen Besuch ab. Sie suchten sich Hemden, Jacketts, Schuhe und Hosen aus, hielten sie sich an, begutachteten sich im Spiegel und drückten mit Grimassen aus, ob ihnen gefiel, was sie sahen, oder nicht. Sam hatte ein Faible für Lederjacken, T-Shirts, auf denen langhaarige Gitarristen abgebildet waren, und Hosen mit dehnbarem Bund. Homan, der sich seine Kleidung noch nie selbst ausgesucht hatte, konnte sich nicht entscheiden, deshalb wählte Sam für ihn aus: einen rot-grün karierten Anzug mit einem gelben Hemd. Sie entdeckten noch eine Kühltasche und einen alten Liegestuhl. Sam bestand darauf, auch die mitzunehmen.
    Ihr letzter Besuch galt einem Lebensmittelhändler. Homan hatte solche Geschäfte bis dahin nur von außen gesehen, und es machte ihn schwindlig, jetzt in einem zu stehen. Sam traf die Auswahl: Brot, aufgeschnittenen Schinken, Chips, Pudding, Limonade und Süßigkeiten. Dann deutete er auf ein Gestell mit Zeitschriften. Die Magazine, für die er sich interessierte, waren ganz oben und in braunes Papier eingebunden. Als Homan eines herunternahm, spähte er unter den Einband. Dort waren Frauen in Unterwäsche abgebildet. Homan sah Sam mit hochgezogener Augenbraue an. Sam erwiderte unschuldig seinen Blick, und sie brachen in Gelächter aus.
    Nach dem Einkaufen fuhren sie eine weite Strecke, bis die Nacht hereinbrach. Irgendwann zeigte Sam auf eine Nebenstraße, die vom Highway wegführte, und weit nach dem letzten Haus blieben sie stehen und stiegen aus. Es war kühl. Homan entfachte ein Feuer und wickelte Sam in Decken. Sie aßen, und es war köstlich. Danach geschah etwas Wunderbares. Während sie ihren Nachtisch genossen, bewegte Sam die Hände auf und ab, sah Homan fragend an und deutete auf den Pudding. Homan sah diese Geste zum ersten Mal, aber er wusste, was Sam meinte: Zeig mir die Gebärde . Erstaunt machte er sein Zeichen für Pudding. Sam nickte, dann fragte er weiter und zeigte auf einen Kaugummi, den Mond, das Feuer. Homan machte eine Geste nach der anderen und spürte, dass sich etwas in ihm entfaltete wie ein kleiner Pflanzentrieb, der die Erdkrume

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