Die Geschichte eines Sommers
hören, doch Samuel schien sie nicht wahrzunehmen. Er erzählte einfach immer weiter. Später folgten noch mehr Schritte, und eine Tür fiel zu, doch auch das bemerkten sie nicht. Vor dem Haus hielten Autos und Trucks. Leute kamen und mussten feststellen, dass das »Never Closes« zum allerersten Mal geschlossen war. Weitere Leute trafen ein und fuhren wieder weg, doch Samuel und Willadee bekamen von alldem nichts mit.
»Ich hab ihn getötet«, sagte er zu ihr. »Nachdem ich dort gestanden und Gott um Hilfe angerufen hatte – und sie mir gewährt wurde. Als ich bereits wusste, dass Gott ein Wunder geschickt hatte. Ich habe diesen teuflischen Mann getötet, und es tut mir immer noch kein bisschen leid.«
»Mir wird es niemals leidtun«, sagte Willadee mit stählerner Stimme. Dann fügte sie hinzu: »Es sei denn, wir verlieren dich dadurch.«
Samuel zog sie an sich und legte seinen Kopf auf ihren. Eine Zeit lang standen sie so da und atmeten im gleichen Rhythmus.
»Wir müssen darauf vertrauen, dass Gott für einen guten Ausgang sorgen wird«, sagte Samuel. »Ich werde bald in die Stadt fahren, um mich der Polizei zu stellen.«
»Ich weiß«, sagte Willadee. »Aber nicht sofort. Bleib noch ein bisschen. Für Swan.«
Toy Moses war die Treppe heruntergekommen, um für die Jungen etwas zu trinken zu holen, blieb aber vor der Küchentür stehen, als er hörte, was Sam Lake sagte. Dann ging er hinaus. Draußen lehnte sich Bootsie Phillips gegen seinen Holzlaster und wartete ungeduldig darauf, dass die Bar aufmachte. Toy erklärte nicht, was los war, sagte ihm aber, dass das »Never Closes« für eine Weile geschlossen bleiben würde, und bat Bootsie, die Gäste, die noch eintreffen würden, fortzuschicken.
Bootsie fragte gar nicht, ob etwas Schlimmes passiert war. Wenn das »Never Closes« nicht aufmachte, musste die Sache sehr ernst sein. Er sagte zu Toy Moses, er solle sich keine Sorgen machen.
Als Erstes fuhr Toy zu Ballenger. Auf dem Grundstück sah er, dass die Hunde sich um irgendetwas am Boden Liegendes zankten. Er wusste sofort, was es war, und dachte, dass nichts auf der Welt angemessener hätte sein können. Er nahm eine Taschenlampe aus dem Truck und machte sich auf die Suche nach dem Raum, von dem Samuel Willadee berichtet hatte.
Als er das dunkle, tote Versteck fand, konnte er kaum glauben, was er dort drinnen sah.
»Lieber Gott«, sagte er und meinte es auch so.
Es war fast zehn Uhr, als Samuel in Magnolia eintraf. Er war länger zu Hause geblieben, als er vorgehabt hatte. Zuerst hatte er noch eine Weile an Swans Bett gesessen, einfach nur dagesessen, ohne etwas zu tun. Der Arzt hatte ihr etwas gegeben, damit sie schlief, deshalb hatte sie wahrscheinlich gar nicht gemerkt, dass er da war. Anschließend war er zu den Jungen hinaufgegangen und hatte ihnen alles, so gut er konnte, erklärt, ohne ihre Welt zu zerstören. Sie hatten geschwiegen und wie gelähmt gewirkt. Blade und Bienville hatten lautlos geweint, Noble nur innerlich. Calla war wie ein Fels in der Brandung dabei gewesen und hatte zugesehen. Hätte sie versucht, die Jungen zu trösten, wären alle drei zusammengebrochen, das hatte sie gewusst.
Das Leben sollte einem nicht derart übel mitspielen, hatte Samuel gedacht, als er das Zimmer verließ. Zumindest aber sollte es nicht so viele schreckliche Dinge in so kurzer Zeit geschehen lassen.
Im Büro des Sheriffs brannte noch Licht. Nicht nur im Gebäude selbst, das eigentlich immer erleuchtet war, sondern auch in Earlys Büro. Samuel war überrascht. Er hatte erwartet, dass einer der Deputys seine Aussage aufnehmen würde.
Early bat Samuel ins Zimmer und hörte ihm aufmerksam zu. Als Samuel erzählte, wie er durch die Luft auf Ras Ballenger zugeflogen war, nahm Early ein Heftchen mit Papierstreichhölzern von seinem Schreibtisch und begann ein Streichholz nach dem anderen abzureißen und damit auf die Mokassinschlange mit dem offenen Maul zu zielen – auf den Aschenbecher, der in dem zusammengerollten Schlangenkörper steckte.
Samuel war am Ende seiner Geschichte angekommen und wartete nun darauf, was Early sagen würde. Dieser schwieg ein bis zwei Sekunden lang, bevor er tief Luft holte und aufstand.
»Danke, dass Sie gekommen sind, Samuel.«
Samuel erhob sich ebenfalls und wusste nicht, was er tun sollte.
»Was passiert denn jetzt mit mir?«, fragte er.
»Sie fahren wieder zu Ihrer Familie nach Hause«, sagte Early.
Samuel starrte ihn fassungslos an. Zwar wollte er nichts lieber
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