Die Geschichte von Liebe und Sex
und Gambia |189| sowie einige nordafrikanische Länder, in Asien Thailand, Bali, die Philippinen und seit kurzem auch Kambodscha. In Lateinamerika sind Ziele vor allem Brasilien sowie die karibischen Inseln Kuba und die Dominikanische Republik. Seit dem Fall des Eisernen Vorhangs fahren auch zunehmend mehr westliche Sex-Touristen in grenznahe Gebiete Polens und Tschechiens, um dort Prostituierte aufzusuchen.
So gern manche Anhänger von Sex-Fernreisen auch die Vorzüge der scheinbar »freieren Sexualität« oder die »besondere Freundlichkeit der jungen Mädchen« (oder Jungen) in fernen Ländern beschreiben, kann nichts darüber hinwegtäuschen, dass Sex-Tourismus auf der Armut der »schönen, unschuldigen, freien und freundlichen« Menschen basiert. Sie bieten sich und ihre Körper nicht an, weil sie die oft älteren Herren ihrerseits so nett oder gar netter als die einheimischen Männer finden, sondern weil sie sich einen Ausweg aus der häufig unerträglichen Not erhoffen. Ausnahmen von aus wirklicher Zuneigung geschlossenen Urlaubsbekanntschaften gibt es, aber oft bestätigen sie eher die Regel. So werden im thailändischen Bangkok zum Beispiel junge Mädchen von ihren Familien an Zuhälter für rund 8 000 Baht verkauft – umgerechnet etwa 160 Euro.
Obwohl Prostitution offiziell in Thailand verboten ist, arbeiten auch Polizisten, zuweilen selbst Richter, mit den Bordellbesitzern Hand in Hand. Die weiblichen und männlichen Prostituierten in Thailand erwirtschaften rund 15 Prozent des Volkseinkommens. Bei den armen Familien auf dem Land betragen die Einkünfte, die vor allem Mädchen und Frauen durch ihre Sexarbeit in den Städten beitragen, oft bis zu 30 Prozent.
Mach Schätzungen der UNO-Kinderorganisation UNICEF werden weltweit 3 bis 4,6 Millionen Kinder und Jugendliche (unter 18 Jahren) gezwungen, im »Rotlicht-Milieu« zu arbeiten. Sie sind nicht nur besonders begehrt bei pädophilen Sex-Touristen, sondern auch bei solchen, die dem Irrglauben anhängen, dass sie sich bei Kinder-Prostituierten nicht mit HIV/AIDS und anderen Krankheiten anstecken können.
Durch das Engagement verschiedener Kinderhilfsorganisationen (in Deutschland zum Beispiel über terre des hommes oder Misereor ) wurden in mehreren europäischen Ländern inzwischen Gesetze verabschiedet, die Missbrauch von Kindern auch im Urlaubsland unter Strafe stellen. Seit 1996 in Stockholm eine erste internationale Konferenz gegen die kommerzielle |190| sexuelle Ausbeutung von Kindern stattfand, engagiert sich eine speziell eingerichtete Task Force gegen Kinderprostitution und berichtet jedes Jahr gegenüber der Welt-Tourismus-Organisation, die ihrerseits diesbezügliche Geschäfte in den eigenen Reihen zu unterbinden versucht.
Es ist deutlich, dass sexuelle Freiheit der Wohlhabenden nicht auf Kosten der Armen und besonders der Kinder gehen darf. Solange die Schere zwischen Arm und Reich auf unserer Erde weiter auseinanderklafft, wird der Weg zum Schutz der Kinder schwer und steinig bleiben.
Maricella A., 13 Jahre, geboren auf der Insel Ponzon, arbeitet als Prostituierte in Cebu, Philippinen. Sie berichtet im Jahr 2000: *
»Geboren bin ich als siebtes Kind meiner Eltern in einem winzigen Dorf auf der Insel Ponzon. Als ich klein war, durfte ich mit meinem größeren Bruder Adolfo auf die drei Karabou, unsere Büffel, aufpassen. Unser Vater war seit langem nach Cebu aufgebrochen, um dort Arbeit als Träger im Hafen zu finden. Er kam nur selten nach Hause und wenn, gab es oft Streit mit meiner Mutter, weil das Geld niemals reichte. Adolfo wurde zu meinem Vater, obwohl er auch nur fünf Jahre älter ist als ich. Er ging oft barfuß zur Schule, nur damit wir Jüngeren etwas zu essen bekamen. So war Adolfo damals.
Dann musste er plötzlich nach dem Streit mit einem Lehrer die Schule verlassen. Das hat ihn sehr verbittert. Eines Abends sagte er zu mir: ›Maricella, ich gehe Vater suchen. Kommst du mit?‹ Ich zögerte keinen Moment und nickte nur. Am nächsten Tag fuhren wir auf dem Laster eines Onkels nach Kawith, wo die Boote anlegen. Dort verkaufte Adolfo ein von Großvater geerbtes Messer, mit dem er uns beiden die Fähre nach Cebu bezahlte. Die Überfahrt war schrecklich: Das Boot war mit viel zu vielen Menschen überladen, und ein nächtlicher Sturm ließ es so hin- und herschaukeln, dass ich schon dachte, der Kahn würde umkippen und wir müssten ertrinken. Aber es ging niemand über Bord, nur ein paar Gepäckstücke und eine Ziege, die nicht
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