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Die geschützten Männer

Die geschützten Männer

Titel: Die geschützten Männer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: R Merle
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entwürdigend empfanden.
    Entwürdigend, das ist vielleicht zuviel gesagt, aber wenn man mich aus Blueville auswiese, ich würde es bestimmt nicht nehmen.
     Dabei geht es nicht um den Stolz des Phallokraten, dessen mein Geschlecht so oft beschuldigt wurde. Ich bestreite nicht die
     Existenz der Phallus-Vergötterung, doch tritt sie vor allem bei neurotisierten Menschen auf, deren Supermännlichkeit zwangsläufig
     Verdacht erweckt, weil sie narzißtisch ist. Andererseits ist aber bei einem Mann die Selbstverstümmelung einer Funktion, die,
     ganz abgesehen von den biologischen Notwendigkeiten, für seine Lebensfreude und seinen schöpferischen Elan unerläßlich ist,
     durch nichts zu entschuldigen.
    Ich spreche hier lediglich von Tatsachen, doch wurden gerade sie von denen verkannt, die zu Tausenden, bald zu Zehntausenden
     die Reihen der Ablationisten füllten und nach einer dem Taufakt gleichenden Zeremonie in der Gemeinschaft Gleichgesinnter
     das
Caladium seguinum
tranken. Sie hätten sich diese Riten ersparen können, da das
Caladium seguinum
in allen Drugstores frei verkäuflich ist. Aber nur sehr wenige Männer nahmen es alleine zu sich. Die neuen Anhänger fanden
     in der stark religiösen Färbung der Kastrationsweihe eine Art |50| Rechtfertigung, desgleichen in dem tröstlichen Gefühl, einer mächtigen Gruppe anzugehören, die in der Wirtschaft des Landes
     eine immer größere Rolle spielte.
    Eine von Harriett Steinfeld geleitete Psychologengruppe der Columbia-Universität wies übrigens in einer Studie nach, daß in
     den Motivationen der neuen Anhänger des Ablationismus – die alle aus den Mittelschichten hervorgingen – das wirtschaftliche
     Überleben und der soziale Aufstieg eine größere Rolle als die Todesangst spielten. Auf dem Arbeitsmarkt waren die kurzerhand
     »A.s« Genannten (die von schlechten Witzemachern unter den Intakten als »A minus« bezeichnet wurden) bald immer mehr gefragt.
     Die A.s boten dem Unternehmer alle erdenklichen Vorteile, angefangen von der Stabilität der Belegschaft bis zur Fügsamkeit
     in der Arbeit. Ihre technologischen Kenntnisse, die die Frauen in ihrer Gesamtheit noch nicht besaßen, machten sie darüber
     hinaus zeitweilig unentbehrlich, um die von der Epidemie gerissenen Lücken zu schließen. Auf einen Schlag erhielten die A.s
     Posten und Löhne, von denen sie bis dahin nicht einmal zu träumen gewagt hätten.
    Von den zahlreichen Interviews, die Harriett Steinfeld in ihrer Studie veröffentlichte, ist das mit dem Ingenieur C. B. Mills,
     Cleveland (Ohio), vielleicht das aufschlußreichste. Mills empfing Harriett Steinfeld in einem kurz zuvor neu eingerichteten
     Salon. Wohlbeleibt in einen funkelnagelneuen Sessel zurückgelehnt, sah Mills zufrieden und selbstsicher aus.
    »Glauben Sie mir, ich bedaure gar nichts«, sagte er mit kurzem Auflachen. »Erstens, weil die A.s etwas anderes als der
Rotary Club
sind. Die A.s lassen einander niemals im Stich. Es herrscht bedingungslose Solidarität! Besser als unter den Juden! Wenn ich
     aber vor allem daran denke, was mein Leben vorher war, kann ich mich zu meiner Entscheidung nur beglückwünschen.«
    »Waren denn Ihre Lebensbedingungen so schlecht, Mr. Mills?«
    »Nein. Sie waren sogar recht gut. Doch um sie zu haben, wurde mein Leben zur Hölle. Ich war überlastet, ich hatte nur noch
     Wechsel und Rechnungen zu begleichen. Die Wohnung mußte bezahlt werden, die drei Autos: meins, das meiner Frau und das meiner
     ältesten Tochter, der unerschwingliche Beitrag für meine Lebensversicherung, die zwei auf Abzahlung gekauften |51| Farbfernseher, die neue Tiefkühltruhe, ich machte nichts anderes als zahlen, zahlen und nochmals zahlen. Und natürlich arbeiten,
     um das alles bezahlen zu können! Ich arbeitete buchstäblich wie ein Irrer! Kurzum, mit fünfundvierzig: Herzinfarkt. Und die
     Behandlung kostete mich ein Vermögen, was mich noch weiter hineinriß.«
    »Sie sind also jetzt glücklicher?«
    »Das ist gar kein Vergleich: Ich habe einen phantastischen Sprung nach vorn gemacht. Ich werde unendlich besser bezahlt, und
     ich arbeite weniger. Wie Sie sehen, habe ich gerade meine Wohnung renoviert, ich habe die Absicht, einen vierten Wagen und
     einen dritten Fernseher zu kaufen.«
    »Ihr Glück ist also ungetrübt?«
    »Ja, völlig.«
    »Mr. Mills, ich möchte einen etwas delikaten Punkt berühren. Sie sind achtundvierzig, das ist also kein Alter, und Sie sind
     mit einer sehr verführerischen Frau

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