Die geschützten Männer
gießt, oder, besser gesagt, eine Art Spucknapf,
von dem er sich nach Gebrauch schaudernd abwendet.
|56| Die Reaktionen der Zuhörer waren aufschlußreich und differenziert. Der Beifall der Verwaltung in der ersten Reihe und der
»alleinstehenden Frauen« in der zweiten war herzlich und schien mir sogar demonstrativ. Die A.s hielten sich ihrerseits mit
reumütigen Gesichtern zurück, als litten sie unter der Erinnerung an begangene Sünden, von denen sie sich zum Glück befreit
hatten. Doch unter den PMs und ihren Frauen wurde Murren laut. Ruth Jettison zog ihre dichten Augenbrauen zusammen, richtete
ihre stechenden, starren großen schwarzen Augen auf unsere kleine Gruppe und schrie mit beinahe drohender Stimme: »Will jemand
eine Frage stellen?«
Das darauf folgende lange Schweigen kam mir wenig amerikanisch vor, so als ob wir schon im Begriff wären, auf die Redefreiheit
zu verzichten. Der Fanatismus der Missionarin und ihre an uns gerichtete Herausforderung widerten mich so an, daß ich mich
einzugreifen entschloß. Aber ich kam nicht dazu, aufzustehen. Meine Nachbarin, Mrs. Pierce, packte mich am Ärmel und flüsterte
mir eindringlich ins Ohr: »Um Himmels willen, Ralph, mischen Sie sich nicht ein, das ist eine Provokation.«
Ich werde später auf Mrs. Pierce, die Frau meines engsten Mitarbeiters, zurückkommen. Sie kann sich zwar ihres Äußeren nicht
sonderlich rühmen, aber ich bewundere ihren Weitblick. Ich kochte vor Wut und schwieg.
In der Reihe hinter uns wurde es unruhig, und ich drehte mich um. Dieselbe Szene spielte sich noch einmal ab, nur mit vertauschten
Rollen: Stien hielt seine Frau fest und versuchte sein Bestes, sie zum Schweigen zu bringen.
Genauso hätte er versuchen können, einen Bulldozer aufzuhalten.
Mutsch riß sich los, stand auf und sagte mit fester Stimme: »Ich habe keine Frage zu stellen, aber ich hätte einige Bemerkungen
zu machen.«
»Bitte«, sagte Ruth Jettison verächtlich.
Mutsch, eine ausgebildete Psychologin, war keineswegs eine blendende Erscheinung. Sie war klein, rundlich und trug ihr Haar
glatt gescheitelt; ihr Gesicht hatte einen liebenswürdigen, ziemlich alltäglichen Ausdruck. Wir aber wußten, was wir an Mutsch
hatten. Aus freien Stücken hatte sie die Erziehung der Kinder der PMs von Blueville mit unbeugsamer Energie in die Hand genommen:
eine heroische Aufgabe, denn es waren zwölf Kinder zwischen fünf und vierzehn Jahren.
|57| In perfektem Englisch, aber mit ziemlich starkem deutschen Akzent (der leider auch auf ihre Schüler, Dave inbegriffen, abzufärben
begann) sagte sie: »Ich gebe zu, daß der Mann der Frau auf ökonomischem und sozialem Gebiet Beschränkungen auferlegt hat.
Aber das hat nichts mit Haß zu tun, den er gegenüber ihrem Körper empfände. Ganz im Gegenteil, er überbewertet ihren Körper
zu Lasten ihrer anderen Eigenschaften. Man braucht nur die Augen offenzuhalten, um diese Überbewertung zu sehen. Sie zeigt
sich überall, in der Mode, in der Werbung, in der Kunst, in der Literatur. Mir scheint, daß die von Ihnen genannten Beispiele
tendenziös sind. Die jugendlichen Banden, die die Mädchen vergewaltigen, beleidigen und schlagen, haben unterschwellig wahrscheinlich
eine starke homosexuelle Komponente, die sich in diesem Verhalten äußert. Wer die Frau als Spucknapf bezeichnet, ist neurotisch
und sadistisch. Das ist keine typische Haltung eines Mannes. Absolut nicht. Und ich verstehe nicht, wie man das übersehen
kann. Frauen, die behaupten, daß der Vaginahaß unter den Männern allgemein verbreitet sei, lassen in mir den Verdacht aufkommen,
daß sie selbst vielleicht Haß auf den Penis empfinden (Gelächter bei den PMs). Es ist auf keinen Fall gut, wenn man die Frauen
zu überzeugen versucht, daß sie von den Männern gehaßt werden. Das kann die Frauen nur dazu verleiten, ihrerseits die Männer
zu hassen, und das, wenn Sie gestatten, wäre eine Schande, wo die Männer jetzt wie die Fliegen sterben. Ich bin sehr betroffen,
daß ausgerechnet eine Christin den Haß zwischen den Geschlechtern schürt. Vielleicht bin ich etwas altmodisch, doch ich muß
gestehen, daß es mich auch schockiert, von einer Geistlichen in ihrer Predigt einen Ausdruck wie ›Votze‹ zu hören. (Mutsch
sprach das Wort mit echt germanischer Betonung aus.) Außerdem glaube ich nicht, Reverend, daß Sie überhaupt wissen, was das
ist: Mann und Frau. Ich kann Sie versichern, daß ich nicht der
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