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Die geschützten Männer

Die geschützten Männer

Titel: Die geschützten Männer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: R Merle
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Kinnladen arbeiten. Nach den Nattern die Vipern. Er schluckt.
    »Fahren Sie fort, Dr. Martinelli«, sagt Matthews und wirft mir einen wütenden Blick zu.
    Mit mir kann man es machen: Ich bin nur ein kleines Licht.
    Ich berichte weiter:
    »Unsere Befragung hat ergeben, daß 73 Prozent der kontaktierten Neurologen in den großen Städten der Vereinigten Staaten die
     Dringlichkeit des Problems bereits erkannt hatten. Zwei von ihnen, Dr. Pierce aus Los Angeles und Dr. Smith aus Boston, haben
     – wie ich selbst – mit virologischen Untersuchungen begonnen. Bisher ohne Erfolg.«
    »Warum ohne Erfolg?« fragt Matthews mit einem Anklang von aufgebrachtem Erstaunen, das ich etwas naiv finde. Matthews scheint
     anzunehmen, daß der USA-Wissenschaft Mißerfolge unbekannt sind.
    »Ich für mein Teil habe Proben von befallener Hirnsubstanz entnommen und habe sie zu kultivieren versucht.« Und da Matthews,
     der sich auf unsicherem Boden fühlt, mich unter seinen dichten, schwarzen Brauen wortlos mustert, füge ich hinzu: »Das Ziel
     dieser Kultur war, das Virus zu isolieren und zu bestimmen. Doch das Ansetzen der Kultur ist bisher gescheitert, wahrscheinlich
     deshalb, weil das angesetzte Milieu nicht geeignet war.«
    Ich schweige und blicke Matthews an. Er begreift die Tragweite des Gesagten und hat Lust, weitere Fragen zu stellen. Doch
     da er gleichzeitig befürchtet, seine Unwissenheit preiszugeben, wählt er den klügeren Weg: er reckt sich zu voller Größe auf
     und schiebt die Kinnladen mit jener verantwortungsvollen Miene vor, die für ihn im Verlaufe seiner politischen Karriere so
     nützlich gewesen sein muß. Dann wendet er sich massig, monolithisch, ganz so, als ob sein Hals auf seinem Rumpf festgeschraubt
     wäre, Skelton zu und sagt: »Mr. Skelton, möchten Sie Dr. Martinelli Fragen stellen?«
    Ich weiß nicht, wovon Skelton sich ernährt, aber sicher nicht |10| von Milch und Nächstenliebe. Er mustert mich eingehend. Das bißchen gelbliche Haut, die er auf dem Gesicht hat, legt sich
     in Falten, und seine Zähne werden sichtbar. Ein Totenkopf, der lacht. Ein eiskaltes Lächeln. Ich mustere ihn meinerseits.
     Sein Oberkörper ist so schmal, daß man sich fragt, wie die Natur es fertigbrachte, Lungen und Herz darin unterzubringen. Das
     alles wird nur durch Bosheit zusammengehalten. Allein die Augen dieses Mannes! Im Grunde ist er, von seinem natürlichen Gift
     abgesehen, ebenfalls auf mich wütend. Auch ihn hat man übergangen. Von der Rangordnung her hätte er, nicht Cresby, mich mit
     dieser Mission betrauen müssen. Und diese Beleidigung, dessen bin ich mir in dieser Sekunde sicher, zählt mehr als alles andere,
     was ich über die Gesundheit der Nation zu sagen hätte.
    »Dr. Martinelli, ich möchte Ihnen einige Fragen stellen, die vielleicht den Vorteil haben werden, Ihren mündlichen Vortrag
     abzukürzen«, sagt er mit schwacher, brüchiger und ziemlich rasselnder Stimme.
    Wie höflich. Ich habe kaum angefangen und bin schon zu ausführlich.
    »Nach dem, was Sie eben gesagt haben, war es in den Vereinigten Staaten nicht möglich, einen Impfstoff gegen die Enzephalitis
     16 zu entwickeln«, fährt Skelton fort.
    »Weder in den Vereinigten Staaten noch, soweit uns bekannt ist, im Ausland.«
    »Haben die erprobten Therapien Auswirkungen auf die Enzephalitis 16?«
    »Nein. Soweit man sie anwenden konnte.«
    »Warum diese Einschränkung?«
    »Die Inkubationszeit der Krankheit beträgt ungefähr eine Woche. Und während dieser Zeit äußert sie sich nur durch Störungen
     des Verdauungsapparates, der Augen, der Sprache und der Bewegungsfähigkeit. Doch diese Störungen sind geringfügig. Sie werden
     nicht von Fieber begleitet und hindern den Kranken nicht daran, seinen gewohnten Tätigkeiten nachzugehen. In den meisten Fällen
     sucht er nicht einmal den Arzt auf. Und wenn die Krankheit zum Ausbruch kommt, ist es zu spät.«
    »Wie kommt sie zum Ausbruch?«
    »Auf eine äußerst brutale Weise. Der Kranke verliert das Bewußtsein |11| und fällt ins Koma. Das war übrigens der Grund, der uns darauf brachte, daß es sich um eine neue Krankheit handelte. Keine
     bekannte Enzephalitis nimmt ihren Verlauf auf so mörderische Weise.«
    »Ist es gelungen, die Krankheit sofort nach Auftreten der von Ihnen beschriebenen kleineren Störungen durch Verabreichung
     von Antibiotika und Kortison unter Kontrolle zu bringen?«
    »Unseres Wissens nicht.«
    »Wenn der Kranke ins Koma fällt, können Sie da etwas

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