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Die geschützten Männer

Die geschützten Männer

Titel: Die geschützten Männer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: R Merle
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geschilderte physische Komplizenschaft … Uns verbinden feste Bande
     der Arbeit.
    Mein erster Impuls ist, Burage zu rufen, ihr den Zettel zu zeigen und um eine Erklärung zu bitten. Ich besinne mich eines
     anderen. Ich muß zwei Dinge überprüfen.
    Als ich mittags das Labor verlasse, gehe ich in meine Unterkunft, schließe mein Zimmer ab, ziehe die Vorhänge zu, knie |173| mich neben mein Bett und sehe mir, ohne etwas zu berühren, aus größtmöglicher Nähe das Stück Scheuerleiste an, das ich immer
     abnehme, wenn ich die Abhöranlage ausschalte. Sie ist mit einem Nylonfaden versiegelt, der sowohl an der abnehmbaren Platte
     wie auch an der fortlaufenden Scheuerleiste befestigt ist. Zwar könnte ich diese Falle umgehen und den Faden wieder ankleben,
     nachdem ich die Platte abgenommen habe. Aber vielleicht gibt es neben dieser ersten Falle noch eine zweite. Außerdem bin ich
     so gut wie sicher, daß künftig die Dauer der Besucher, die ich empfange, registriert wird, und ich werde mich hüten, Mr. Barrows
     Verdächtigungen in Gewißheit zu verwandeln.
    Auf jeden Fall steht eins fest: der anonyme Schreiber hat die Wahrheit gesagt. Der Abhördienst ist wirklich in meinem Zimmer
     gewesen.
    Noch nie ist mir ein Nachmittag so lang erschienen, denn ich warte auf die Unterredung, die ich in der Cafeteria für den Abend
     mit Joan Pierce vereinbart habe. Da bin ich nun. Sie ist entzückt. Sie stürzt sich auf mich wie auf eine Beute. Sie geht daran,
     mich mit Schnabel und Krallen auszuweiden und meinem Gehirn alle Informationen über Anita und die Welt bis aufs letzte Quentchen
     zu entreißen, selbst solche, die mir – wer kann es wissen? – gar nicht bewußt sind. Doch mit einer Handbewegung bringe ich
     sie zum Schweigen. Und ohne ein Wort zu sagen, gebe ich ihr die Warnung, die ich am Morgen erhalten hatte. Sie ist für Joan
     völlig anonym, da ich zu ihr niemals vom »Igel« gesprochen habe. Sie liest den Zettel, und als sie fertig ist, reiche ich
     ihr, ebenfalls wortlos eine von Burage unterzeichnete Hausmitteilung, die ich aus dem Labor mitgebracht habe. Zu Joan Pierces
     zahlreichen Gaben, die sie tatendurstig einsetzt, um ihren Nächsten zu ergründen, gehört die Graphologie. Sie macht sich über
     die beiden Schriftstücke her und verschlingt sie.
    »Aber ganz sicher, das ist dieselbe Person«, sprudelt sie hervor. »Sie hat sich nicht einmal die Mühe gemacht, ihre Schrift
     zu verstellen, und sich darauf beschränkt, große Druckbuchstaben zu verwenden. Aber da die Großbuchstaben ihrer Schreibschrift
     wie Druckbuchstaben aussehen, ist die Identität sonnenklar. Sehen Sie sich das A von
Achtung
auf dem Zettel und das A in der Hausmitteilung an:
… der Aufmerksamkeit Dr.
|174|
Martinellis …;
es ist das gleiche charakteristische A. Der Querstrich zieht sich weit über den rechten Schenkel des Buchstaben hinaus: ein
     Zeichen für Energie und Dynamik.« Sie unterbricht sich. »Setzen Sie sich, Ralph. Warum der Igel?«
    Ich sage es ihr. Sie lacht, droht mir verschmitzt, macht aber keine andere Bemerkung. Ich berichte ihr von der Falle an meiner
     Abhöranlage und frage sie, ob ich Burage vertrauen kann.
    »Voll und ganz«, sagt sie. Und während mich ihr stechender Blick trifft, fügt sie hinzu: »Sie machen Fortschritte, Ralph.
     Sie schälen sich endlich aus Ihrem Kokon heraus. Und Sie werden vorsichtig.«
    Ich übergehe diese Bemerkung.
    »Weshalb kann ich Burage in solchem Maß vertrauen?« frage ich. »Stützen Sie sich dabei lediglich auf eine Schriftanalyse?«
    »Nein.«
    Das Nein kam schnell und entschieden. Doch mehr sagt Joan Pierce nicht. Sie beginnt sofort, mich auszufragen. Ich klammere
     meine persönlichen Beziehungen zu meiner nächtlichen Besucherin aus; ansonsten erzähle ich ihr alles über die internationale
     Lage, wie Anita sie mir schilderte. Joan Pierce hört mit einer Erregung zu, die sie nur mit Mühe unter Kontrolle zu halten
     vermag. Ihre Augen blitzen, ihr Atem beschleunigt sich, unentwegt ringt sie die auf ihren Knien liegenden Hände. Als ich fertig
     bin, stellt sie ihre Fragen. Sie spricht abgehackt, schnell, mit innerer Spannung. Und während ich antworte, sind ihre Finger
     ständig in unwillkürlicher Bewegung, als ob sie jede einzelne meiner Informationen begierig speichern wollten.
    Am Ende erhebt sie sich sehr erregt, geht im Zimmer auf und ab und sagt mit verhaltener Leidenschaftlichkeit: »Wun derbar ! Das bestätigt alle durchgesickerten Informationen,

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