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Die geschützten Männer

Die geschützten Männer

Titel: Die geschützten Männer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: R Merle
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sich unglücklicherweise kompromittiert und wird streng
     überwacht.«
    »Sie hat sich kompromittiert?«
    Pierce lacht wieder ihr kurzes schrilles Lachen.
    »Oh, Ralph, Sie sind nicht dafür geschaffen, unter einer Diktatur zu leben! Erinnern Sie sich, als ich Sie daran hinderte,
     Ruth Jettison zu widersprechen? Mutsch hat es getan.«
    »Aber sicher! Ich erinnere mich. Mutsch war bewundernswert!«
    »Mutsch war bewundernswert, aber sie ist in eine Falle gegangen. Ruth Jettisons angebliche Predigt stank nach Provokation.
     Sie zielte darauf ab, die Opponenten in Blueville zu verleiten, ihr Gesicht zu zeigen.«
    Ich bin sprachlos. Ich fühle mich völlig hinter dem Mond. Habe ich bisher wirklich etwas in Blueville begriffen? Anscheinend
     habe ich nur eine lange Reihe von Fehlern gemacht: in der Beurteilung, in der Interpretation, im Verhalten … Meine Kündigungen,
     zum Beispiel – auf die ich so stolz war! Die ich für so mutig hielt!
    »Inwiefern habe ich falsch gehandelt, als ich der Bundesspermabank eine Absage erteilte?« frage ich.
    Pierce lächelt kurz.
    »Sie haben nicht falsch gehandelt, sondern unvorsichtig.«
    »Wenn man Sie hört, wäre die Unvorsichtigkeit ein Wesenszug meines Charakters«, sage ich leicht pikiert.
    »Nicht ganz. Sie sind sogar ziemlich besonnen.«
    Danke. Etwas Öl nach all dem Essig.
    »Aber?«
    »Sie sind zu spontan.«
    »Ist das ein Fehler?«
    » Hier
ist es ein Fehler.«
    »Und war meine Ablehnung ein Fehler?«
    »Kein Fehler an sich, Ralph. Aber ein taktischer Fehler. Vergessen Sie nicht, kämpfen bedeutet auch, sich bloßzustellen. Deshalb
     darf man nicht in zweitrangigen Fragen kämpfen – vor allem dann nicht, wenn keine Aussicht auf Sieg besteht.«
    Da ich ja »ziemlich besonnen« bin, sinne ich dem nach. Und mir geht ein Licht auf. Sie hat recht. Im Grunde habe ich niemals |178| damit gerechnet, daß Mulberry meine Einwände akzeptieren würde. Stien ebensowenig, das könnte ich beschwören. Wir haben uns
     beide wie Kinder benommen. Wir haben ein Scheingefecht geliefert, was sinnlos ist, idiotisch!
    Ich sehe sie an.
    »Von uns dreien war Jespersen also der einzige Realist?«
    Pierces Blick verdunkelt sich, sie preßt die Lippen aufeinander, ihre Hände verkrampfen sich.
    »Ach, Jespersen!«
    Das ist alles, aber es besagt genug. Erstaunt nehme ich diese neue Warnung zur Kenntnis. Joan steht auf.
    »Entschuldigen Sie, Ralph. Ich habe es eilig.«
    »Aber Sie wollten mir zwei Dinge sagen. Und haben mir nur das eine gesagt.«
    Sie sieht mich lächelnd an, und ich denke: Unglaublich, aber es hat den Anschein, als holte ich mir von ihr Instruktionen.
     Gehöre ich vielleicht schon zu den
Wir
?
    »Wenn Sie mir etwas zu sagen haben, was länger dauert, kommen Sie nicht hierher, Ralph. Übermitteln Sie es dem Igel.«
    Ich traue meinen Ohren nicht und frage: »Burage?«
    »Lassen Sie ihr den Spitznamen, denn nur wir drei kennen ihn.«
    »Und die Abhöranlage in meinem Arbeitszimmer im Labor?«
    Sie lächelt.
    »Sie können es ruhig glauben, die hat es nie gegeben.«
     
    Am Freitag früh acht Uhr finde ich Dr. Mulberrys Antwort auf meinem Schreibtisch. So, wie ich sie erwartet hatte. Nichtsdestoweniger
     enthält sie eine erstaunliche Präzisierung, die mich schockiert hätte, wenn es mir nicht gelungen wäre, sogar in Blueville
     einige Überreste meines Humors zu bewahren.
     
    Lieber Dr. Martinelli,
    ich kann Sie von den moralischen Skrupeln, die Sie zum Ausdruck bringen, leicht befreien: die Kommission, die wir nach Blueville
     schicken werden, besteht aus einem Chauffeur und einer Assistentin. Sie werden nur mit letzterer zu tun haben. Also weder
     Selbstmanipulation noch Homosexualität.
    |179| Ich bin sicher, daß Sie keine neuen Einwände gegen eine Sache erheben werden, die von jedem Bürger als eine absolut vordringliche
     patriotische Pflicht empfunden werden sollte.
    Ich erwarte von Ihnen eine Antwort, die Ihre Einwilligung bestätigt.
    Aufrichtig Ihr … und so weiter
     
    Wahrscheinlich ist es besser, darüber zu lachen, als sich gedemütigt zu fühlen. Aber was soll man von der »Assistentin« halten,
     die mit mir eine so intime und so kurze Beziehung haben wird? Handelt es sich um eine Krankenschwester? Hat sie eine Schnellausbildung
     erhalten? Hat sie sich für diese außergewöhnliche Aufgabe freiwillig zur Verfügung gestellt? Oder ist sie ebenfalls gezwungen
     worden, sich im Namen einer »ab solut vordringlichen patriotischen Pflicht« dafür

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