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Die geschützten Männer

Die geschützten Männer

Titel: Die geschützten Männer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: R Merle
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die kubanische Abwehr hatte alle drei Flugzeuge abgeschossen, und die Verantwortlichen selbst würden sich aller Wahrscheinlichkeit
     nach bald zu den Piloten ins Jenseits gesellen, weil sich das Pentagon tagtäglich entvölkerte.
    Bedford schlug meine Ratschläge erneut in den Wind. Sie fürchtete, sich als Frau lächerlich zu machen, wenn sie zugab, |167| daß einer ihrer Militärs über ihren Kopf hinweg einen Privatkrieg gegen Frankreich führte. Ich hielt ihr vergeblich entgegen,
     daß es seit Truman keinem amerikanischen Präsidenten gelungen war, völligen Gehorsam von den Generälen zu erlangen, und daß
     allen Regierungen der Welt diese kleine Schwäche unserer Exekutive bekannt sei. Bedford zog es vor, das Pentagon zu decken,
     und verstrickte sich in kindische Lügen: der zweite Bombenangriff sei eine »Schutzmaßnahme« gewesen, um einem Angriff der
     Luftstreitkräfte Castros gegen Miami zuvorzukommen. Außerdem sei die französische Botschaft höchstwahrscheinlich von einer
     Sam-Rakete zerstört worden, die ihr Ziel verfehlt hatte. In diesem Zusammenhang äußerte sie lauwarm ihr »Bedauern«.
    Defromont hielt eine dritte, noch viel bissigere Rede, in der er voller Verachtung auf die Unglaubwürdigkeit der Behauptungen
     des Weißen Hauses hinweis. Außerdem beschränkte er sich diesmal nicht auf Worte. Er berief seinen Botschafter ab, gab dem
     US-Vertreter in Paris zu verstehen, daß seine Anwesenheit in Paris nicht mehr erwünscht sei, verlangte von den amerikanischen
     Besuchern in Frankreich ein Visum, ließ die Amerika-Häuser auf französischem Territorium schließen und nationalisierte die
     großen französischen Gesellschaften, deren Kapital sich in Händen der USA befand. Der Geschwindigkeit nach zu urteilen, mit
     der die beiden letzten Maßnahmen verwirklicht wurden, mußte Defromont sie von langer Hand vorbereitet haben, die eine aus
     Gründen der ökonomischen Unabhängigkeit, die andere, weil unsere Kulturzentren in Frankreich hemmungslos die Ideologie Deborah
     Grimms verbreiteten. Aus einem Bericht von Agnes wußten wir aber, daß diese Philosophie dem alten Manne »Übelkeit verursachte«.
    Später gelang es unserer Agentin in Ottawa, uns die Fotokopie eines Briefwechsels zwischen Defromont und der kanadischen Ministerpräsidentin
     zu beschaffen, der uns äußerst verblüffte.
    Die kanadische Ministerpräsidentin, die frankokanadischer Abstammung war, hieß Colette Lagrafeuille. In seinem ersten Brief
     vertraute Defromont ihr an, daß er einst eine junge Französin gekannt habe, die genauso hieß und die er unglücklicherweise
     aus den Augen verloren hatte. Er habe vergeblich versucht, sie wiederzufinden, und erinnere sich ihrer stets mir großer Herzlichkeit.
     Und deshalb, allein schon ihres Namens wegen, sei ihm die kanadische Ministerpräsidentin lieb und |168| teuer – selbstverständlich abgesehen von den alten historischen Bindungen, die Frankreich zur Provinz Quebec hat, der seine
     Briefpartnerin entstammt. Dieses von einem so berühmten und verehrungswürdigen Staatsmann kommende Lob berührte die Ministerpräsidentin
     tief, und trotz des enormen Altersunterschiedes, oder vielleicht gerade deswegen, entspann sich ein sehr herzlicher Briefwechsel,
     in dem Defromont unmerklich von der vertraulichen Mitteilung zum Kompliment, vom Kompliment zur Anregung und von der Anregung
     zum Ratschlag überging.
    Dieser herzliche Kontakt trug seine Früchte: Nach dem Bombenangriff auf die französische Botschaft in Havanna stellte sich
     Lagrafeuille ohne Zögern auf die Seite der Protestierenden, ergriff in dem nachfolgenden Streit zwischen Bedford und Defromont
     für letzteren Partei und ging dazu über, die Auslieferung amerikanischer »Hirsche« zu verweigern, die in wachsender Zahl auf
     ihrem Territorium Zuflucht suchten. Bei dieser Gelegenheit erfuhr ich von Anita, daß die »Hirsche« entgegen den tendenziösen
     Behauptungen Deborah Grimms, keineswegs alle käufliche Männer waren, sondern Burschen, die einfach aufs Land flüchteten, um
     nicht der in den Städten grassierenden Epidemie zum Opfer zu fallen.
    Die außenpolitische Lage ist also verheerend, resümiert Anita. Wir haben in Lateinamerika und in Asien unsere Stützpunkte,
     die von uns protegierten Regierungen, unsere Rohstoffe und unsere Märkte verloren. China hat Taiwan zurückerobert, Japan nähert
     sich China an, letzteres schlichtet seinen Streit mit der UdSSR. Europa löst sich unter Defromonts

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