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Die geschützten Männer

Die geschützten Männer

Titel: Die geschützten Männer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: R Merle
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Dave beansprucht, der Unmoral beschuldigte, als sie
     von meiner Verbindung zu Anita erfuhr. Zwischen dieser Beschuldigung und mir ist jetzt die Wand einer Heiratsurkunde aufgerichtet.
    Es ist eher ein dünner Vorhang. Das Zusammenleben ist nicht gerade alltäglich. Ich bin »die Glucke«, wie Anita sagt, ich habe
     von meinen italienischen Vorfahren den Familiensinn; damit bringe ich diese unsichtbare Ehefrau einfach zur Verzweiflung!
     Aber Anita ist mit dieser Situation völlig zufrieden. Und warum sollte sie es nicht sein? Sie hat es so gewollt.
    Zehn Uhr: Da ist sie, dreißig Jahre, Haar mahagonifarben, Augen grün, Nase »fein ziseliert«. So jedenfalls beschreibt sie
     sich selbst in ihren Anwandlungen von Eitelkeit.
    Sie kommt wie der Wind zur Tür herein und stürzt auf mich zu, ganz aufgeregt: Sie läßt mich kaum zu Wort kommen, so begierig
     ist sie, mich zu hören.
    Sie ist doppelt entsetzt, aber in unterschiedlicher Schattierung. Mein Rücktritt geht noch an. Aber meinen Bericht der Presse
     übergeben! Das werde ich nicht tun! Das wäre scheußlich! Wenige Wochen vor den Präsidentschaftswahlen! Außerdem habe ich moralisch
     nicht das Recht! Der Bericht gehört nicht mir!
    Ich warte, bis sich die Wogen glätten – bin aber trotzdem ein bißchen erstaunt, daß Anita die Moral für eine Administration
     bemüht, die nicht den kleinsten Finger rührt, um die öffentliche Gesundheit zu schützen. Als sie mit ihrem Tadeln am Ende
     ist, mache ich sie darauf aufmerksam, daß sich unter den gegebenen Umständen nicht eine, sondern zwei Pflichten ergeben: die
     formelle Pflicht, die sie so gut definierte – übrigens die gleiche, die ich selbst Cresbys Empfehlungen entgegenhielt –, und
     die wirkliche Pflicht gegenüber den Menschen dieses Landes, sie nämlich um jeden Preis vor der drohenden Gefahr zu warnen.
    Nachdem das gesagt ist, besänftige ich ihren Schrecken. Von der Originalschrift meines Berichts, die im Besitz der Kommission |22| ist, habe ich zwar eine Kopie für mich behalten, doch wird sie in meinem Safe in der Bank unter Verschluß bleiben. Auf keinen
     Fall werde ich den Bericht veröffentlichen: Ich hätte viel zu große Angst, in der Öffentlichkeit eine Panikwelle auszulösen.
     Allerdings gedenke ich, falls das HEW sich weiterhin nicht rührt, mit der Presse Kontakt aufzunehmen – in meiner Eigenschaft
     als Arzt und Privatmann, nicht als ehemaliger Vorsitzender der Kommission.
    Anita sieht mich an. Jetzt ist sie beruhigt und zufrieden. Sie setzt sich neben mich auf die Couch, ihre grünen Augen schillern,
     und zwar auf eine mir wohlbekannte Art. Diese Gerechtigkeit muß ich Anita widerfahren lassen: der schlimmste politische oder
     private Ärger nimmt ihr nie auf lange Zeit die Lust, mit einem Mann zu schlafen oder zu essen. Sobald der Ärger nachläßt,
     regt ein Hunger den anderen an, sie verwüstet mein Bett und plündert meinen Kühlschrank.
    Ich bin also keineswegs erstaunt, sie wenige Minuten später in meiner Kochnische zu finden, wo sie Eier mit Schinken verschlingt,
     die sie sich eben gebraten hat. Ich nehme die Gelegenheit wahr, da sie den Mund voll hat und zuhören muß, um erneut mit allem
     Nachdruck und mit Leidenschaft für die Dringlichkeit der Maßnahmen, die ich fordere, zu plädieren. Und als sie mit dem Essen
     fertig ist, folge ich ihr, weiterplädierend, bis ins Schlafzimmer.
    »Mein guter Ralph«, sagt Anita, die sich im ersten Glück der Verdauung bäuchlings quer über mein Bett gelegt hat, »dir sind
     ebensogut wie mir die letzten Nachrichten aus Thailand bekannt: Wir sind für einen zweiten Krieg in Südostasien reif. Ergebnis:
     Wenige Wochen vor den Präsidentschaftswahlen ist der Kurs des Vaters (so nennt sie den Präsidenten selbst bei mir aus Furcht
     vor einer Abhöranlage) sehr gesunken. Selbstverständlich werde ich dem Vater Bericht erstatten. Er muß wissen, welche Rolle
     Cresby bei alledem spielt. Vater hätte, nach meiner Meinung, Cresby nicht vor den Wahlen abkanzeln sollen. Diese kleine Natter
     weiß zuviel. Ralph, ich bitte dich, mach nicht so ein Gesicht! Du mußt verstehen! In der Politik ist man gezwungen, Entscheidungen
     zu treffen! Es gibt zwangsläufig Prioritäten. Zuerst Thailand retten, und um Thailand zu retten, die Wahlen gewinnen. Zu diesem
     Zeitpunkt kann man also deine Enzephalitis nicht aufs Tapet bringen, man hat zu lange |23| gewartet, das wäre der schlimmste Fehler, man würde sagen: Und jetzt erst alarmiert ihr

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