Die geschützten Männer
an Ihre
Schuld geglaubt. Ihr psychologisches Profil, so wie wir es kennen, ließ in keiner Weise darauf schließen. Auf Wiedersehen,
Dr. Martinelli.«
Unvermittelt macht er sich aus dem Staube, verschwindet wie durch eine Falltür, und ich bleibe allein vor meinem geöffnetem
Safe zurück und bin überrascht, wieder auf freiem Fuß zu sein. Moore hat mir nichts erklärt, und er ist so schnell verschwunden,
daß ich keine Zeit hatte, ihn zu fragen, warum mich meine Kopie entlastet.
Die Überraschungen nehmen kein Ende. Zu Hause ruft mich eine Sekretärin des Weißen Hauses an: Mrs. Martinelli erwartet mich
um dreizehn Uhr im chinesischen Restaurant. Ich habe keine Zeit, ja oder nein zu sagen, sie hängt auf.
So ungeniert diese Art, sich mit mir zu verabreden, sein mag, ich will hingehen; ich fange an, meinen Anruf vom Sonnabend
zu bereuen.
Früher verkehrten Anita und ich im Yenching Palace, aber seitdem die Pekinger Chinesen dort fast alle ihre Mahlzeiten einnehmen,
schleppt mich Anita, die an Spionagewahn leidet, zu Mr. Twang, der außer seiner guten Küche den zusätzlichen Vorzug hat, daß
er uns in der ersten Etage einen gemütlichen kleinen Raum reserviert. Dort thront Anita schon auf einer roten Plüschbank,
ausgesucht gekleidet, die Stirn von einer kleinen bunten Lampe mit goldenen Fransen beleuchtet. Ich entschuldige mich wegen
meiner Verspätung, setze mich neben sie, lobe ihre Aufmachung. Verlorene Mühe. Ich weiß nicht mehr, wer gesagt hat, daß sich
ein Mann von einem Kompliment entwaffnen läßt, niemals aber eine Frau. Anita schaut mich mit ihren grünen Augen an, ohne ein
Wort zu sagen.
Waffenstillstand. Mrs. Twang nimmt die Bestellung entgegen. Sie trägt ein schwarzes Seidenkleid mit einem kleinen Schlitz,
der ihr rechtes Bein bis zur Wade entblößt, und auf den Lippen ein archaisches Lächeln. Es weicht nicht aus ihrem Gesicht,
solange ihr kleiner Zettel nicht voll ist. Danach löst es sich auf, sie neigt den Kopf und zieht sich zurück. Meine Augen
folgen dem kleinen Schlitz ihres Kleides.
»Immer noch von dieser dicken Wade fasziniert?« sagt Anita.
|28| Der Angriff ist scharf, und die grünen Augen sind ohne Mitleid. Ich schweige. Ich will das Gefecht nicht mit der Wade von
Mrs. Twang einleiten.
»Welche Überraschung!« sagt Anita. »Ich hatte keineswegs damit gerechnet, dich zu sehen. Ich war darauf gefaßt, in Einsamkeit
sterben zu müssen.«
»Hör doch, Anita.«
»Was denn, du sprichst mit mir? Und ich glaubte, du wolltest mich nie mehr sehen, sprechen und hören! Wiederhole ich deine
brillante Formulierung in der richtigen Reihenfolge?«
»Anita, ich bitte dich.«
»Du bittest mich? Welche Ehre! Ich bin also wieder sichtbar, hörbar, wortbegabt!«
»Und wie!«
»Selbstverständlich kann ich schweigen, wenn es dich stört, daß ich den Mund aufmache.«
»Nein. Ich glaube im Gegenteil, daß eine Aussprache unbedingt nötig ist.«
»Eine Aussprache! Mit einer Denunziantin!«
»Wenigstens was mich betrifft, habe ich dir einiges zu sagen.«
»Noch so ein kleines Bravourstück von Denunziation, das du vielleicht aufgedeckt hast?«
»Hör auf, Anita, ich bitte dich, es ist wichtig.«
»Wichtig für wen?«
»Anita, es gibt einen neuen Gesichtspunkt.«
»Diesen neuen Gesichtspunkt kenne ich. Es ist die Art, wie du mich behandelst.«
»Der neue Gesichtspunkt betrifft nicht dich.«
»Oh, mein Gott! Eine Rivalin!«
»Hör auf, Anita!«
»Keine Phallokratie, Doktor! Auch als Paria habe ich das Recht, mich zu äußern.«
»Anita, hast du Moore gesagt, daß ich von dem Bericht eine Kopie behalten hatte? Ja oder nein?«
»Ja, Euer Ehren. Und so habe ich Euch entlastet.«
»Du weißt es also?«
»Sicher. Nachdem Moore deine Bank verlassen hatte, rief er mich an.«
»Und wie kommt es, daß meine Kopie ausreicht, meine Schuldlosigkeit nachzuweisen?«
|29| »Langsam, mein Herr. Zuerst Ihre Entschuldigung.«
»Entschuldigung vor jeder Erklärung?«
»Sicher. Welches Verdienst wäre es schon, wenn du dich hinterher entschuldigst?«
»Ich entschuldige mich.«
Die grünen Augen heften sich auf mich. Sie sind keineswegs besänftigt. Anita sagt aufgebracht:
»Ralph, du warst am Telefon ekelhaft, einfach ekelhaft.«
»Ich habe mich schon entschuldigt.«
»Oh, wie leicht das ist! Man sagt: ich entschuldige mich, und man ist quitt. Alles ist vergessen!«
»Oh, nein!« sage ich verzweifelt. »Entschuldigung hin, Entschuldigung her, es wird
Weitere Kostenlose Bücher