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Die geschwätzigen Kleinode (German Edition)

Die geschwätzigen Kleinode (German Edition)

Titel: Die geschwätzigen Kleinode (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Denis Diderot
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erfand man dergleichen oder gab sich wohl gar mit elenden Märchen ab und nannte das dann »Tausendundeine Nacht fortsetzen«. Die Herren hatten Erlaubnis, allerlei Seltsamkeiten zu sagen, und die Damen durften sticken beim Zuhören. Der Sultan und die Favorite mischten sich ungezwungen unter ihre Untertanen; ihre Gegenwart stand keiner Unterhaltung im Wege, und Langeweile war sehr selten. Mangogul hatte früh gelernt, daß ein Vergnügen sich nur an des Thrones Stufen fände, und niemand stieg so gern und mit so vielem Anstand herunter als er, niemand wußte besser, zur rechten Zeit die Majestät abzulegen.
    Während er des Senators Hippomanes verschwiegenes Heim durcheilte, wartete Mirzoza seiner im Rosen-Saal. Mit ihr waren die junge Zaide, die fröhliche Leokris, die lebhafte Serica, Amine, die an zwei Emirs verheiratete Bensaire, die spröde Orfise und die Groß-Seneschallin Vetula, die weltliche Mutter aller Brahminen. Bald erschien auch der Sultan. Ihn begleitete der Graf Maikäfer und der Chevalier von Flachkopf.
    Der alte Wollüstling Trübewasser und sein Schüler, der junge Murmelbach, folgten. Zwei Minuten darauf kamen der Pascha Greifgreif, der Aga Breitschnabel und der Seliktar Sammtpfötchen. Das waren die ausgezeichnetsten Stutzer des Hofes. Mangogul hatte sie mit Fleiß versammelt. Er hatte von ihren ritterlichen Taten gegen die Weiber dermaßen die Ohren voll, daß er sich endlich vornahm, mit Gewißheit zu erfahren, was an der Sache sei: »Nun, Ihr Herren,« sagte er, »Ihr wißt doch alles, was im Gebiet der Liebe vorgeht, was also gibt es neues? Wie steht’s mit den redseligen Kleinoden?«
    »Gnädigster Herr,« antwortete Trübewasser, »ihre Sprachverwirrung nimmt immer zu. Geht das so fort, so wird bald niemand mehr sein eignes Wort verstehen. Aber unter allen Aussagen ist keine possierlicher, als die von Zobeidens Kleinod. Es hat ihrem Manne eine ganze Liste von Abenteuern geliefert.« »Es übersteigt allen Glauben,« fuhr Murmelbach fort: »Fünf Agas, zwanzig Rittmeister, beinahe eine vollständige Janitscharenkompanie, zwölf Brahminen! Man sagt, es habe auch mich genannt, aber das ist Verleumdung.«
    »Das Gute an der Sache ist,« nahm Greifgreif das Wort, »daß der Ehemann erschreckt davonlief und sich beide Ohren zuhielt.«
    »Das ist ja abscheulich,« sagte Mirzoza. »Ja, gnädige Frau,« unterbrach sie Breitschnabel, »schrecklich! schändlich! abscheulich!« »Alles das und noch mehr,« sprach die Favorite weiter, »einer Frau auf bloßes Hörensagen die Ehre abzusprechen!«
    »Es ist buchstäblich wahr, meine Gnädige, Murmelbach hat nichts übertrieben,« sagte Sammtpfötchen. »Es ist Tatsache,« sagte Greifgreif. »Es ist bereits ein Epigramm darüber im Umlauf,« setzte Maikäfer hinzu, »und Epigramme macht man nicht ohne Grund. Warum sollten die Kleinode nicht von Murmelbach reden dürfen? Hat Cynarens Kleinod doch auch meiner erwähnt und mich unter Leute gebracht, deren Gesellschaft mir gar nicht ansteht! Wie kann man der gleichen vermeiden?« »Man tröstet sich sehr schnell darüber,« sprach Sammtpfötchen. »Sie haben recht,« antwortete Maikäfer und fing an zu singen:
»Das Glück hat mir so wohlgetan,
daß ich es selbst kaum glauben kann!«
    »Graf,« sprach Mangogul und wandte sich zu Maikäfer, »Sie haben also Cynaren genau gekannt?«
    »Gnädigster Herr,« antwortete Sammtpfötchen, »wer wüßte es nicht? Er ist länger als einen Monat mit ihr herumgezogen, man sang schon Liedchen über sie. Die Liebschaft würde noch andauern, aber er bemerkte endlich, daß sie nicht hübsch sei und einen großen Mund habe.« »Stimmt,« antwortete Maikäfer, »aber dafür besaß sie einen andern Vorzug, der äußerst selten ist.«
    »Ist das Abenteuer schon lange her?« fragte die spröde Orfise. »Gnädige Frau,« sagte Maikäfer, »der eigentlichen Zeit kann ich mich nicht genau mehr erinnern, ich muß erst die chronologischen Tabellen meiner Liebschaften nachsehn. Dann läßt sich Zeit und Stunde bestimmen; aber es ist ein dicker Foliant, mit dem sich meine Leute im Vorzimmer die Zeit vertreiben.«
    »Warten Sie,« sprach Trübewasser »ich kann Ihrem Gedächtnis zu Hilfe kommen. Gerade ein Jahr später überwarf sich Greifgreif mit der Frau Seneschall. Sie besitzt ein Engelsgedächtnis, sie wird uns gewiß sagen …« »Daß Ihre Angabe eine Unwahrheit ist,« sprach die Seneschallin würdig. »Die ganze Welt weiß, daß solche Windbeutel nie nach meinem Geschmack

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