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Die geschwätzigen Kleinode (German Edition)

Die geschwätzigen Kleinode (German Edition)

Titel: Die geschwätzigen Kleinode (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Denis Diderot
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lassen.«
    So weit war Alfanens Kleinod, als Hippomanes hereintrat. Vom Geräusch seines Wagens und dem Gebell eines Windspiels, das sein Liebling war, erwachte Alfane. »Endlich finde ich Sie, meine Königin!« sagte der kleine Präsident. »Es kostet viel Mühe Ihrer habhaft zu werden. Sagen Sie doch, wie gefällt Ihnen mein Häuschen? Nicht wahr, es darf sich sehen lassen?«
    »Alfane spielte die einfältige, die furchtsame, die verzweifelte, als hätten wir nie ein heimliches Häuschen gesehn,« sagte ihr Kleinod, »und als hätt’ ich nie eine Rolle bei ihren Abenteuern gespielt.« Sie rief mit Tränen: »Herr Präsident, für Sie setz’ ich alles aufs Spiel! Meine Leidenschaft muß mich schrecklich verblenden, daß ich die Gefahr nicht sehe, worin ich mich stürze. Was würde die Welt von mir sagen, wenn sie mich hier wüßte?«
    »Sie haben recht,« antwortete Hippomanes. »Dies ist ein zweideutiger Schritt. Aber verlassen Sie sich auf meine Verschwiegenheit.«
    »Ich verlasse mich auch auf Ihre Bescheidenheit,« versetzte Alfane.
    »Allerdings,« sagte Hippomanes grinsend, »werd’ ich mich sehr bescheiden aufführen. Wer wird denn in einem heimlichen Häuschen sein und sich nicht fromm betragen? Straf mich Gott! Sie haben einen vollen Busen …«
    »Seien Sie doch artig,« antwortete Alfane, »Sie halten schon nicht Wort.«
    »Ich will Wort halten,« erwiderte der Präsident, »aber Sie müssen mir auch Antwort geben. Wie gefällt Ihnen meine Einrichtung?« Dann wandte er sich gegen sein Windspiel: »Komm her, Favorite! Pfötchen, mein Liebling! Favorite ist ein gutes Tier. Wollen das Fräulein meinen Garten besehn? Die Aussicht von der Terrasse ist allerliebst. Es können mir zwar einige Nachbarn hineinsehn, aber denen sind Sie vielleicht nicht bekannt …«
    »Ich bin nicht neugierig, Herr Präsident,« antwortete Alfane empfindlich. »Mich deucht, wir sind hier besser.«
    »Wie Sie befehlen,« versetzte Hippomanes. »Sind Sie müde, so ist da ein Bett. Wenn Sie irgend Lust haben, so rate ich Ihnen, es zu versuchen. Die junge Asteria, die kleine Fenisse, verstehn sich auf dergleichen und versichern, es sei gut.« In diesem unverschämten Ton sprach Hippomanes zu Alfane, zog ihr das Gewand über die Schultern, schnürte ihr das Mieder auf, löste die Bänder von ihren Röcken und streifte von zwei dicken Füßen zwei kleine Pantoffel ab.
    Alfane war beinahe nackend, als sie bemerkte, daß Hippomanes sie entkleide. »Was tun Sie da?« rief sie erschrocken. »Was fällt Ihnen ein, Präsident? Ich werde im Ernst böse.«
    »O! meine Königin,« sagte Hippomanes, »wie könnten Sie gegen einen Mann böse werden, der Sie so liebt wie ich? So wunderlich können Sie nicht denken. Darf ich Sie bitten, sich in dieses Bett zu legen?«
    »In dieses Bett?« versetzte Alfane. »Ach! Herr Präsident, Sie mißbrauchen meine Zärtlichkeit. Ich soll mich in ein Bett legen? Ich? in ein Bett?«
    »Nun, nun, meine Königin,« antwortete Hippomanes, »Sie sollen sich auch nicht von selbst hineinlegen; aber Sie erlauben schon, daß ich Sie hinführen darf, denn Sie begreifen wohl, daß ich bei Ihrer Figur keine Lust habe, Sie hinzutragen …« Dennoch faßte er sie um den Leib und machte einen kleinen Versuch – »O, die wiegt!« sagte er. »Mein liebes Kind, wenn du dich nicht etwas leichter machst, so kommen wir nicht vorwärts!«
    Alfane fühlte die Wahrheit dieser Worte, machte sich so leicht, wie sie konnte, und so gelang es ihr endlich, sich zu erheben und dem Bette, vor dem sie sich so sehr gefürchtet hatte, halb freiwillig, halb durch Hippomanes gezogen, näher zu treten. Dabei stammelte sie geziert: »Wahrhaftig! ich war wohl nicht gescheit, hierher zu kommen. Ich rechnete auf Ihre Bescheidenheit, und Sie sind so unerhört ausgelassen.«
    »Keineswegs,« antwortete der Präsident, »keineswegs! Sie sehn wohl, ich beobachte stets den Anstand, strengsten Anstand.«
    Vielleicht sagten sie sich noch tausend artige Sächelchen. Aber der Sultan hielt nicht für ratsam, ihrem Gespräch länger zuzuhören, und so ging es für die Nachwelt verloren. Das ist schade!
    Zweimal wöchentlich sah die Favorite große Gesellschaft bei sich. Den Abend vorher nannte sie die Damen, die sie dabei wünschte, und der Sultan gab die Liste der Herren. Man kam sehr geputzt dahin. Die Unterhaltung war allgemein oder geteilt. Wenn die galante Chronik des Hofes keinen Stoff zu unterhaltsamen Abenteuern aus dem Reiche der Liebe darbot, so

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