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Die geschwätzigen Kleinode (German Edition)

Die geschwätzigen Kleinode (German Edition)

Titel: Die geschwätzigen Kleinode (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Denis Diderot
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Ihrer Zuneigung, unter allen, die die Ehre haben, sich Ihnen zu nähern, allein von Ihrer guten Meinung ausgeschlossen sein soll.«
    »Wer hat Ihnen das gesagt?« versetzte der Sultan. »Bedenken Sie doch, Madame, daß alles, was ich Wahres oder Falsches von den Weibern behaupte, Sie nichts angeht; Sie müßten sich denn einfallen lassen, Ihr ganzes Geschlecht darzustellen.«
    »Das wollt’ ich der gnädigen Frau nicht raten,« sagte Selim, der bei dem Gespräch zugegen war, »dabei könnte sie nichts gewinnen als Fehler.«
    »Ich nehme keine Schmeichelei an,« erwiderte Mirzoza, »die man auf Kosten meines Geschlechts macht. Wer mich loben will, muß keine andre deswegen herabsetzen. Die meisten schönen Worte, die man an uns verschwendet, gleichen den kostbaren Festen, die Ihrer Hoheit Paschas Ihnen geben: das Publikum muß sie immer bezahlen.«
    »Reden wir nicht davon,« sprach Mangogul. »Aber gestehen Sie aufrichtig, sind Sie noch nicht überzeugt, daß die weibliche Tugend in Congo ein Hirngespinst sei? Sehn Sie nur, Wonne meines Lebens, auf die heutige Erziehung, auf das Beispiel, das die jungen Mädchen von ihren Müttern erhalten, auf das Vorurteil, das man einer hübschen Frau beibringt, als führe sie ein trauriges Leben, als sterbe sie vor Langeweile und begrabe sich lebendig, wenn sie sich fein zu Hause hält, um die Wirtschaft bekümmert und nur für ihren Mann da ist. Und dann sind wir Männer so unternehmend, und ein junges Kind ohne Erfahrung ist außer sich vor Freuden, daß ihr jemand nachstellt. Ich habe behauptet, sittsame Weiber wären selten, außerordentlich selten: und so weit bin ich entfernt, das zurückzunehmen, daß ich gern hinzusetze, es ist zu verwundern, daß sie nicht noch seltener sind. Fragen Sie Selim, was er davon denkt.«
    »Fürst,« antwortete Mirzoza, »Selim ist unserem Geschlecht zu viel Dank schuldig, um es ohne Erbarmen zu verlästern.«
    »Gnädige Frau,« sagte Selim, »Seine Hoheit konnte unmöglich eine Dame unerbittlich finden, und muß also natürlicherweise so von den Weibern denken, wie er denkt. Sie aber haben die Güte, andre nach sich zu beurteilen, und können also keine andre Meinung haben, als die Sie verteidigen. Ich muß indessen gestehn, ich bin geneigt zu glauben, daß es verständige Frauenzimmer gibt, denen die Vorzüge der Tugend aus Erfahrung bekannt sind, und denen ihr Nachdenken die unangenehmen Folgen eines Fehltritts gezeigt hat. Sicherlich finden sich Frauenzimmer, glücklich organisiert und wohlerzogen, die ein Gefühl für ihre Pflicht haben, zu lieben, und nie von ihr ablassen werden.« »Was brauchen wir uns in Abstraktionen zu verlieren?« setzte die Favorite hinzu, »ist nicht die lebhafte, liebenswürdige, reizende Aglae gleichzeitig ein Muster von Sittsamkeit? Fürst, daran können Sie nicht zweifeln, ganz Banza weiß es aus Ihrem Munde. Gibt es aber eine sittsame Frau, so mag es ihrer tausend geben.«
    »O!« sagte Mangogul, »gegen die Möglichkeit hab’ ich nichts einzuwenden.«
    »Gestehn Sie diese Möglichkeit ein,« versetzte Mirzoza, »wer offenbart Ihnen dann, daß sie nicht wirklich vorhanden sind?«
    »Niemand als ihr Kleinod,« antwortete der Sultan. »Ich gebe allerdings zu, dieses Zeugnis ist minder stark als Ihr Beweisgrund. Ich will zum Maulwurf werden, wenn Sie den nicht einem Brahminen ablernten! Lassen Sie den Kaplan der Manimonbonda rufen, und er wird Ihnen sagen, daß Sie mir das Dasein der sittsamen Frau ungefähr ebenso bewiesen haben, wie die Brahminologie das Dasein Brahmas beweist. Wurden Sie vielleicht in dieser erhabnen Schule erzogen, ehe Sie in den Harem kamen?«
    »Bitte, keine schlechten Scherze,« erwiderte Mirzoza. »Ich berufe mich ja nicht bloß auf die Möglichkeit, sondern auf eine Tatsache der Erfahrung.«
    »Ja,« fuhr Mangogul fort, »auf eine verstümmelte Tatsache, auf eine Erfahrung, die einzeln dasteht. Und ich habe eine Menge Versuche für mich, die Ihnen bekannt sind. Aber ich will Ihren Unwillen durch langen Widerspruch nicht vermehren.«
    »Es ist ein Glück,« sagte Mirzoza verdrießlich, »daß Sie nach Verlauf von zwei Stunden müde werden, mich zu verfolgen.«
    »Hab’ ich diesen Fehler begangen,« antwortete Mangogul, »so will ich versuchen, ihn wieder gut zu machen. Ich begebe mich aller meiner vergangenen Siege, Madame, und findet sich in der Reihe der Prüfungen, die ich noch anstellen werde, eine einzige Frau, die wahrhaftig und anhaltend sittsam ist …« – »Was wollen Sie

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