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Die geschwätzigen Kleinode (German Edition)

Die geschwätzigen Kleinode (German Edition)

Titel: Die geschwätzigen Kleinode (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Denis Diderot
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daß ich Ihnen Dinge verhehlt habe, deren Kunde Sie in Verzweiflung stürzen konnte. Sie ereifern sich und werden wütend, als ob ich Sie beleidigt hätte. Mit welchem Rechte, mein Herr, verdienen Sie denn, Seton, Rikel, Molli, Tachmas, den liebenswürdigsten Kavalieren des Hofes, vorgezogen zu werden, denen man sich nicht einmal die Mühe gibt, zu verbergen, daß man Seitensprünge macht? Ein Mann wie Sie, Selim, ist ein erschöpfter, hinfälliger Mann und seit Ewigkeit außerstande, eine hübsche Frau zu fesseln, wenn sie nicht sehr einfältig ist. Gestehen Sie also, daß Ihr Hochmut übel angebracht und Ihr Zorn anmaßend ist. Sind Sie übrigens mißvergnügt, so überlassen Sie Ihre Stelle andern, die sie besser ausfüllen werden.« »Das tu ich von ganzem Herzen,« versetzte Selim voller Empörung und verließ dieses Weib, fest entschlossen, es niemals wiederzusehen.
    Er kehrte in seine Wohnung zurück und schloß sich einige Tage dort ein, weniger verdrießlich im Grunde über seinen Verlust, als über seinen langen Irrtum. Nicht sein Herz litt, sondern seine Eitelkeit. Er scheute die Vorwürfe der Favorite und die Spötteleien des Sultans, darum vermied er beide.
    Fast war er entschlossen, dem Hofe zu entsagen, sich in einer Einsamkeit zu vergraben und als Philosoph das Leben zu beschließen, dessen größten Teil er im Gewande des Hofmanns verloren hatte. Aber Mirzoza erriet seine Gedanken, unternahm es, ihn zu trösten, ließ ihn in den Harem rufen und sprach zu ihm: »Sie verlassen mich also, Freund Selim? Sie bestrafen nicht Fulvia für ihre Untreue, Sie bestrafen mich. Uns allen tut Ihr Abenteuer leid, wir geben zu, es ist ärgerlich, aber liegt Ihnen irgend etwas an der Gnade des Sultans und an meiner Freundschaft, so fahren Sie fort, unsere Gesellschaft zu beleben, und vergessen diese Fulvia, die eines Mannes wie Sie niemals würdig war.«
    »Gnädige Frau,« antwortete Selim, »mein Alter erinnert mich, daß es Zeit ist, mich zurückzuziehen. Ich habe genug von der Welt gesehen. Vor vier Tagen hätt’ ich mich noch rühmen können, sie zu kennen, aber der Streich Fulvias verwirrt mich. Alle Frauenzimmer sind unerklärlich, alle würd’ ich hassen, gehörten Sie nicht auch zu einem Geschlecht, von dem Sie jeglichen Reiz besitzen. Gebe Brahma, daß Sie nie seine Fehler annehmen! Leben Sie wohl, gnädige Frau, ich will mich in der Einsamkeit mit nützlichen Betrachtungen beschäftigen. Das Andenken der Gnade, mit welcher Sie und mein Herr mich beehrten, folgt mir dahin, und wenn mein Herz noch einen Wunsch hegt, so wird er Ihrem Glück und seiner Ehre gelten.«
    »Selim,« antwortete die Favorite, »Sie machen Ihren Unwillen zum Ratgeber. Sie fürchten, sich lächerlich zu machen. Dem sind Sie weit mehr ausgesetzt, wenn Sie den Hof verlassen, als wenn Sie dableiben. Haben Sie so viel Philosophie, wie Sie wollen, aber es ist jetzt nicht die Zeit, Gebrauch davon zu machen: man wird in Ihrer Entfernung von der Welt nur Ärger und Verdruß sehen. Sie sind nicht gemacht, sich in eine Wüste zu verbannen, und der Sultan …«
    Mangoguls Ankunft unterbrach die Favorite, sie legte ihm Selims Absicht vor. »Er ist nicht gescheit,« sagte der Fürst. »Hat ihm denn das Betragen der elenden Fulvia ganz den Kopf verrückt?« Dann wandte er sich gegen Selim: »Daraus wird nichts, guter Freund! Sie bleiben, ich bedarf Ihres Rats und unsere Freundin Ihrer Gesellschaft. Das Wohl meines Reichs und Mirzozas Zufriedenheit verlangen dieses Opfer von Ihnen. Sie werden es nicht abschlagen.«
    Die Gesinnungen Mangoguls und der Favorite rührten Selim, er verbeugte sich ehrfurchtsvoll, blieb am Hofe und ward geliebt, wertgehalten, gesucht und ausgezeichnet durch die Gunst, die der Sultan und Mirzoza ihm erzeigten.
    Die Favorite war sehr jung. Gegen das Ende der Regierung Erguebzeds geboren, hatte sie fast gar keine Vorstellung von dem Hofe Kanoglus. Ein beiläufig hingeworfenes Wort erweckte ihre Neugierde für die Wunder, welche der Genius Cucufa dem guten Fürsten zuliebe gewirkt hatte, und niemand konnte sie besser darüber unterrichten als Selim: er war Zeuge jener Begebenheiten gewesen, er hatte teil daran genommen und kannte die Geschichte der Vorzeit aus dem Grunde. Als sie eines Tages allein mit ihm war, brachte Mirzoza das Gespräch auf dieses Kapitel und fragte ihn, ob denn die Regierung Kanoglus, von der man so viel Aufhebens mache, erstaunenswürdigere Zeichen gesehen habe, als die, welche jetzt die Aufmerksamkeit

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