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Die geschwätzigen Kleinode (German Edition)

Die geschwätzigen Kleinode (German Edition)

Titel: Die geschwätzigen Kleinode (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Denis Diderot
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ganz Congos erregten.
    »Ich habe gar kein Interesse daran, gnädige Frau,« antwortete Selim, »die alte Zeit der des jetzt regierenden Fürsten vorzuziehen. Es geschehen große Dinge, sie sind aber vielleicht nur Vorläufer derjenigen, wodurch Mangogul künftig berühmt werden wird; ich bin schon zu bejahrt, als daß ich mir schmeicheln dürfte, das zu erleben.« »Sie irren sich,« erwiderte Mirzoza, »Sie haben den Beinamen ›Der Ewige‹ erworben und werden ihn auch verdienen. Aber erzählen Sie mir, was Sie sahen.«
    »Gnädige Frau,« fuhr Selim fort, »Kanoglu’s Regierung dauerte lange, unsere Dichter nennen sie das goldene Zeitalter. Dieser Name gebührt ihr in mancher Rücksicht. Sie zeichnete sich durch Glück und Siege aus, aber ihre Vorzüge waren auch mit Nachteilen vermischt, welche beweisen, daß dieses Gold zuweilen von schlechtem Gehalt war. Der Hof, der dem übrigen Lande den Ton angibt, war sehr verbuhlt. Der Sultan hatte Mätressen, die Großen suchten eine Ehre darin, ihm nachzuahmen, und unmerklich tat es auch das ganze Volk. Die Pracht der Kleider, der Wohnungsausstattungen, der Bedienten war maßlos. Man gestaltete den Aufwand bei den Mahlzeiten zu einer Kunst. Man spielte hoch, machte Schulden, bezahlte nicht und verschwendete, solange man Geld und Kredit besaß. Man erließ gegen die Schwelgerei schöne Verordnungen, die aber nicht in Kraft traten. Man nahm Städte ein, eroberte Provinzen, begann Palastbauten und erschöpfte das Reich an Blut und Gut. Die Völker sangen Siegeslieder und starben vor Hunger. Die Großen besaßen prächtige Schlösser, herrliche Gärten, und ihre Ländereien blieben brach liegen. Hundert Kriegsschiffe machten uns zu Herren des Meeres und zum Schrecken unserer Nachbarn, aber ein guter Kopf berechnete aufs Haar, was dem Staate der Unterhalt dieser Schiffsgerippe kostete und trotz der Gegenvorstellungen der andern Minister ward befohlen, sie zum Freudenfeuer zu verbrennen. Der königliche Schatz war ein ungeheurer leerer Kasten, den diese elende Wirtschaft nicht anfüllte; und Gold und Silber wurden so rar, daß die Münzhäuser eines schönen Morgens in Papiermühlen verwandelt wurden. Um unser Glück zu vervollkommnen, ließ sich Kanoglu von Fanatikern bereden, es sei von höchster Wichtigkeit, daß alle seine Untertanen ihm ähnlich sähen, blaue Augen, Entennasen und einen roten Schnurrbart hätten wie er. Er verjagte mehr als zwei Millionen aus Congo, weil sie nicht diese Uniform trugen, oder weil sie sich weigerten, sich ihm ähnlich zu machen. Das, Madam, ist jene gute alte Zeit, das ist jenes goldene Zeitalter, das Sie täglich zurückwünschen hören. Aber lassen Sie die Faselhänse schwatzen und glauben Sie, auch wir haben unsere Turennes und unsere Colberts; und die gegenwärtige Zeit ist im großen und ganzen besser als die vergangene. Sind Mangoguls Untertanen glücklicher als Kanoglus, so ist Seiner Hoheit Regierung glorreicher als die seines Großvaters; denn das Glück der Untertanen ist der eigentliche Maßstab der Fürstengröße. Doch jetzt wollen wir wieder auf Seltsamkeiten unter der Regierung Kanoglus zurückkommen. Zuerst ein Wort über den Ursprung der Hampelmänner.«
    »Selim, das erlaß ich Ihnen,« sagte die Favorite, »die Geschichte kenne ich auswendig. Gehen Sie darüber weg.« »Darf ich fragen, gnädige Frau,« sprach Selim, »woher Sie sie haben?« »Aus gedruckten Büchern,« antwortete Mirzoza. »Jawohl, gnädige Frau,« erwiderte Selim, »von Leuten, die selber nichts davon wußten. Ich kann mich ärgern, wenn ich sehe, daß armselige Schmierer, die dem Fürsten niemals nahe kamen, als etwa bei seinem Einzuge in die Residenz oder bei einer anderen Feierlichkeit, sich einfallen lassen, Geschichte zu machen …« »Gnädige Frau,« fuhr Selim fort, »wir hatten die Nacht auf einem Maskenballe im großen Saal des Serails verbracht, als uns der Genius Cucufa, der erklärte Schutzheilige des regierenden Hauses, erschien und uns befahl, zu Bette zu gehen und vierundzwanzig Stunden hintereinander weg zu schlafen. Man gehorchte, und als die Zeit um war, fand sich der Serail in eine große prächtige Galerie voller Hampelmänner verwandelt. Am äußersten Ende saß Kanoglu auf seinem Thron. Ein langer abgenutzter Faden hing ihm zwischen den Beinen herunter. Eine alte verlebte Hexe zog unaufhörlich daran und bewegte mit einer Handbewegung eine unzählbare Menge untergeordneten Hampelmänner, welche an feinen, kaum sichtbaren Fäden

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