Die geschwätzigen Kleinode (German Edition)
Haus, indem ich mir die grausamsten Vorwürfe machte. Ich liebte sie wirklich, sie liebte mich innig wieder, und ich hatte Zeit genug, den großen Verlust zu fassen, den ich erlitten hatte, und ihn zu beweinen.«
»Aber endlich fanden Sie Trost?« fragte die Favorite. »Ich hielt es lange für unmöglich,« erwiderte Selim; »machte aber später die Erfahrung, daß kein Kummer ewig dauert.«
»Man soll mir nur nichts mehr von den Männern erzählen,« sprach Mirzoza. »So sind sie alle! Das heißt mit anderen Worten, Herr Selim: die arme Cydalise, deren Geschichte so rührend ist, die Sie so sehr bedauerten, war sehr dumm, daß sie auf Ihre Schwüre baute. Und während sie Brahma jetzt vielleicht für ihre Leichtgläubigkeit strenge büßen läßt, verbringen Sie Ihre Zeit aufs angenehmste in den Armen einer andern!«
»Ei, gnädige Frau,« erwiderte der Sultan, »beruhigen Sie sich. Selim liebt noch, Cydalise wird gerächt werden.« »Ihre Hoheit könnten falsch berichtet sein,« antwortete Selim. »Meine Geschichte mit Cydalise hat mir für mein ganzes Leben beweisen müssen, daß die wahre Liebe unglücklich macht.« »Das hat sie freilich,« unterbrach ihn Mirzoza, »dennoch wett’ ich, Ihren Beweis gründen zum Trotz, Sie sind jetzt viel heftiger in eine andere verliebt.«
»Viel heftiger – das wag’ ich nicht zu behaupten,« erwiderte Selim. »Seit fünf Jahren bin ich aber mit dem Herzen einer reizenden Frau zugetan. Es hat mir viel Mühe gekostet, Erhörung zu finden, denn man war immer so tugendhaft gewesen …« »Tugendhaft!« rief der Sultan. »Bravo, Freund! es macht mir immer viel Vergnügen, wenn man mir von einer tugendhaften Dame am Hofe erzählt.« »Selim,« sagte die Favorite, »fahren Sie nur in Ihrer Geschichte fort.« »Und glauben Sie als guter Muselmann nur getrost an die Treue Ihrer Geliebten,« setzte der Sultan hinzu. »Ach, Fürst,« erwiederte Selim lebhaft, »Fulvia ist mir treu!« »Treu oder nicht treu,« versetzte Mangogul, »was tut das zu Ihrem Glück? Sie glauben es; das genügt.« »Jetzt also lieben Sie Fulvia?« fragte die Favorite. »Ja, gnädige Frau,« antwortete Selim. »Um so schlimmer, mein Lieber,« fügte Mangogul hinzu: »in die setz’ ich gar kein Vertrauen. Sie ist beständig von Brahminen belagert und, die Brahminen sind schreckliche Leute. Dann find’ ich auch, sie hat kleine chinesische Augen, eine Stumpfnase und sieht sehr vergnügungssüchtig aus. Unter uns, wie steht’s damit?« »Gnädigster Herr,« antwortete Selim, »ich glaube, sie haßt das Vergnügen nicht.« »Nun also,« erwiderte der Sultan, »solches Verlangen überwältigt alles, das müssen Sie besser wissen als ich, oder Sie sind …« »Ihre Hoheit irren sich,« nahm die Favorite das Wort, »man kann außerordentlich gescheit sein und das nicht wissen. Ich wette …« »In einem fort dieses Wetten,« unterbrach sie der Sultan, »Sie machen mich ungeduldig; solche Frauen sind halt einmal unverbesserlich. Gewinnen Sie erst Ihr Schloß, Madam, und dann wetten Sie von neuem.«
»Gnädige Frau?« fragte Selim die Favorite, »könnte Ihnen Fulvia nicht vielleicht zu etwas nützlich sein?« »Wie das?« fragte Mirzoza. »Ich habe bemerkt,« antwortete der Hofmann, »daß die Kleinode fast immer nur in Gegenwart Seiner Hoheit gesprochen haben, und ich bilde mir ein, der Genius Cucufa, der für Kanoglu, des Sultans Großvater, so befremdliche Wunder bewirkte, möge gar wohl seinem Enkel die Gabe erteilt haben, sie reden zu lassen. Aber Fulvias Kleinod hat, soviel ich weiß, noch nicht den Mund geöffnet. Gibt es kein Mittel, es zu befragen, Ihnen das Schloß zu verschaffen und mich von der Treue meiner Geliebten zu überzeugen?« »Allerdings,« sprach der Sultan. »Wie denken Sie darüber, Madam?« – »O! ich mische mich nicht in einen so kitzligen Handel. Selim ist zu sehr mein Freund, als daß mich die Aussicht auf ein Schloß bewegen sollte, das Glück seines Lebens aufs Spiel zu setzen.« – »Sie wissen nicht, was Sie sagen,« erwiderte der Sultan. »Fulvia ist treu. Dafür legt Selim die Hand ins Feuer. Er hat’s gesagt, er nimmt sein Wort nicht zurück.« »Nein, gnädigster Herr,« antwortete Selim, »und wenn mich Ihre Hoheit zu Fulvia bescheiden, so bleib’ ich gewiß nicht aus.« »Überlegen Sie den Vorschlag wohl!« versetzte die Favorite. »Selim, guter Selim, Sie gehen sehr rasch zu Werke, und bei all Ihrer Liebenswürdigkeit …« – »Beruhigen Sie sich, gnädige Frau.
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