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Die Gestrandeten - Im Sog der Zeiten, Bd. 4

Die Gestrandeten - Im Sog der Zeiten, Bd. 4

Titel: Die Gestrandeten - Im Sog der Zeiten, Bd. 4 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: dtv
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befördern.
    »Nicht!«, rief er laut. »Das geht nicht gut!«
    Wen interessierte es schon, welchen Sinn die Seeleute um ihn herum seinen Worten beimaßen?
    Katherines Gesicht verzerrte sich noch mehr. Jonas musste weder die Zeichensprache beherrschen noch von ihren Lippen ablesen können, um zu wissen, was sie dachte
: Es ist schlimm genug, im Jahr 1611 gestrandet zu sein und damit rechnen zu müssen, zu verhungern. Aber das alles auch noch mutterseelenallein durchzumachen?
    »Auf dem Schiff sind die Überlebenschancen größer«, sagte er. Diese Worte waren als Abschiedsgeschenk für seine Schwester gedacht, als hoffnungsvollster Abschiedsgruß, der ihm einfiel. Er war sich nicht sicher, ob es zutraf. Natürlich befanden sich sämtliche Vorräte an Bord der
Discovery
. Und natürlich war Katherine unsichtbar und konnte herumschleichen und essen, was sie wollte. Doch diese Meuterer wirkten ziemlich durchgeknallt   – und sie hatten Waffen! Und was war, wenn Katherine ihre Unsichtbarkeit wieder verlor?
    Jonas überlegte, ob er ihr den Definator hinaufwerfen sollte, für den Fall, dass er den Dienst wieder aufnahm. Aber wie sollte er das anstellen, ohne dass alle es mitbekamen?
    Jonas hatte sich so sehr auf seine Schwester konzentriert, dass er kaum gemerkt hatte, was um ihn herum vorging. Doch jetzt ließ er den Blick zu den Männern hinüberschweifen, die sich an der Reling drängten. Vor allem einer ließ Jonas nicht aus den Augen. Sobald sich ihre Blicke trafen, rief der Mann: »Aye, Junge, ich weiß, dass du mich nur schützen willst. Aber ich weiß auch, wem ich auf See vertrauen kann.«
    Offensichtlich glaubte der Mann, Jonas habe mit ihm geredet.
    Nein, nein, ich rede mit meiner Schwester, die Sie nicht sehen können, weil sie unsichtbar ist
, hätte Jonas ihm am liebsten geantwortet, oder etwas, das ein wenig glaubwürdiger klang und den Mann davon überzeugen würde, dass Jonas nichts mit ihm zu tun hatte. Doch der Mann hatte sich bereits an den Anführer der Meuterer gewandt.
    »Wenn Ihr unbedingt so verfahren wollt, dann setzt mich auch in die Schaluppe«, sagte der Mann.
    »Was? Habt Ihr den Verstand verloren, Staffe?«, erwiderte der Anführer der Meuterer. »Ihr wart mit dem Master ebenso oft über Kreuz wie der Rest von uns! Er hat Euch für nichts und wieder nichts bestraft!«
    »Gleichwohl traue ich Henry Hudson eher zu, michin einer Schaluppe von hier fortzubringen, als dass ich dem Rest von Euch zutraue, dieses Schiff zu steuern«, sagte der Mann   – Staffe? »Lasst mich meine Gerätschaft mitnehmen, dann gehe ich.«
    »Aber der Master will gar nicht fort von hier«, spotteten einige andere Meuterer. »Er will einfach nur im Kreis segeln und die Nordwestpassage suchen.«
    Jonas wünschte wirklich, er könnte sich daran erinnern, was es damit auf sich hatte. Diesmal hatten die Männer so verächtlich geklungen, als hätten sie vom »Märchenland« oder von »Shangri-La« gesprochen oder irgendeinem anderen schönen, aber frei erfundenen Ort.
    »Gleichwohl«, sagte Staffe und machte ein entschlossenes Gesicht. »Ich gehe. Muss bei einer Meuterei nicht jeder Mann seine eigene Entscheidung treffen?«
    Um ihn herum setzte Gemurre ein, dennoch begannen die Männer an den Flaschenzügen, die Schaluppe wieder heraufzuziehen.
    Jetzt war die Reihe an Jonas, Katherine lautlos zu verstehen zu geben:
Du kommst auch! Schmuggele dich ins Boot, wenn er einsteigt!
    Und sie erwiderte stumm und mit einem Grinsen:
Ich weiß! Ich weiß! Keine Bange!
    Staffe stand abwartend an der Reling, während jemand losging, um seine »Gerätschaft« zu holen   – was immer das hieß. Wie sich herausstellte, handelte es sich um eine hölzerne Werkzeugkiste. Als Staffe sichumdrehte, um sie entgegenzunehmen, schob sich Katherine an ihm vorbei. Staffe erschrak einen Moment; womöglich war ihm ihr Pferdeschwanz über die Wange gefahren. Doch er sagte kein Wort, er richtete sich lediglich auf und sah sich mit verblüffter Miene um.
    »Dann geht, wenn Ihr unbedingt wollt«, sagte der Anführer der Meuterer brüsk.
    Inzwischen hatte sich Katherine in das Boot gezwängt. Sie umarmte Jonas und gab sich alle Mühe, den Matrosen auszuweichen. Jonas überlegte, dass er ungefähr sechs Jahre alt gewesen sein musste, als er seiner Schwester das letzte Mal erlaubt hatte, ihn zu umarmen. Dennoch hatte es etwas Tröstliches, sich zusammenzukauern, während die Schaluppe tiefer und tiefer sank.
    Ihr Aufprall war so heftig, dass eisiges

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