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Die Gestrandeten - Im Sog der Zeiten, Bd. 4

Die Gestrandeten - Im Sog der Zeiten, Bd. 4

Titel: Die Gestrandeten - Im Sog der Zeiten, Bd. 4 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: dtv
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Hudson und sein lieber alter Herr nicht das beste Verhältnis hatten, dachte er und duckte sich weg.
    »Wer ist dieser ›HK‹, nach dem du gerufen hast?«, fragte Henry Hudson misstrauisch. »Ist das ein Deckname? Kann es sein, dass mein eigener Sohn gegen mich intrigiert?«
    »Aber nein«, sagte Staffe sanft und hielt die Segel fest.»Euer Sohn wollte nur den Anstand wahren. Sicher bedeutet HK ›Heiliges Kanonenrohr‹; ein ungebührlicher Ausdruck, um den Herrn um Hilfe anzuflehen. Aber fragt Euch selbst: Woher kamen diese Winde? Sein Flehen wurde also erhört!«
    Der Wind trieb sie mit erstaunlicher Geschwindigkeit vom Eis fort.
    Misstrauisch sah Henry Hudson zwischen Jonas und Staffe hin und her. Kaum hatte er den Kopf abgewandt, zwinkerte Staffe Jonas zu, um sogleich erneut eine Unschuldsmiene aufzusetzen, sobald sich Hudsons Blick wieder auf ihn richtete.
    So läuft der Hase also, dachte Jonas. Kapitän Hudson ist fies zu seinem Sohn   – äh, also im Augenblick zu mir   – und dieser Staffe beschützt ihn.
    Es war nicht die gleiche Art von Schutz wie zusammen mit Katherine von HK aus der Zeit geholt zu werden, aber Jonas war froh, nicht länger geschlagen zu werden.
    »Sir?«, sagte John King und übernahm die Segel von Staffe. »Sollen wir Kurs auf das Ufer nehmen, um uns in der Winterhütte einzurichten?«
    Das Ufer? Winterhütte? Wovon redet er?, fragte sich Jonas. Er erinnerte sich, dass HK ihnen erzählt hatte, Winter und Frühjahr seien für die Männer von Hudsons Schiff sehr hart gewesen. Offensichtlich hatten sie nicht die ganze Zeit auf dem Schiff zugebracht, sondern ihre Sachen gepackt, um den schwimmenden Eisbrockenund den heulenden Winden zu entkommen und an Land zu kampieren. Jonas starrte auf das Eis, das an der Schaluppe vorbeitrieb, und hielt sich vor Augen, dass es Juni war. Sommer. Doch wenn das hier Juni war, wollte er wirklich nicht wissen, wie es sein musste, hier den Januar und den Februar zu verbringen.
    »Die Winterhütte?«, höhnte Hudson. »Zum Henker, Mann, wir sind Seeleute und keine Hasen
. Ich
jedenfalls nicht. Henry Hudson verkriecht sich nicht in einem Loch, wenn es Schatzrouten zu entdecken gilt, Ruhm und Ehre zu erlangen und Kontinente zu erobern.«
    Er ist verrückt, dachte Jonas. Total übergeschnappt. Hat er denn schon vergessen, dass man ihn vom Schiff geworfen hat? Dass wir in einem ruhmreichen Ruderboot hocken? Mitten im Eis? Müsste er sich nicht vor allem darum sorgen, am Leben zu bleiben?
    »Aber wenn wir uns zur Hütte begeben, können wir Vorräte für den nächsten Winter anlegen«, sagte Staffe, der John Kings Vorschlag aufgriff. »Im nächsten Frühjahr kommt sicher eine Rettungsexpedition   –«
    »Henry Hudson wird nicht
gerettet
!«, donnerte der Kapitän und knallte zornig die Hand gegen die Bootswand. »Henry Hudson kehrt ruhmreich nach Hause zurück, mit einer Schiffsladung voller Schätze aus dem Orient!«
    Dem »Orient«?, überlegte Jonas. War das nicht einer dieser superaltmodischen Ausdrücke, die seine Großeltern immer benutzten? Hatte er 1611 die gleiche Bedeutunggehabt wie für seinen Großvater und seine Großmutter?, fragte er sich.
    Das konnte nicht sein. So, wie seine Großeltern den Ausdruck verwendeten, waren mit »Orient« China, Japan und andere Länder in Asien gemeint.
    Aber im Augenblick sind wir in Kanada, überlegte Jonas. Glaubt Henry Hudson wirklich, dass er mit dieser Schaluppe bis nach China oder Japan segeln kann? Und dann zurück nach England? Jonas hatte nicht allzu viel Ahnung von Geografie, aber das schien ihm doch ein sehr weiter Weg zu sein. Um den halben Globus und wieder zurück. Selbst wenn Hudson das Schiff noch hätte, könnte er nicht so weit reisen! Oder doch?
    »Ihr glaubt immer noch an die Nordwestpassage?«, murmelte einer der siechen, sterbenden Matrosen, dessen Stimme klang, als könnten es seine letzten Worte sein. »Selbst jetzt noch?«
    Da war der Ausdruck wieder: »Nordwestpassage«. Bruchstücke alter Erinnerungen regten sich in den Tiefen von Jonas’ Gedächtnis. Irgendetwas aus dem Gemeinschaftskundeunterricht im fünften Schuljahr, über das Mrs Rorshas endlos schwadroniert hatte, mit ihrem Talent, auch die spannendsten Themen in pure Langeweile zu verwandeln. Entdecker   … China   … Schätze   … Nach welcher Art von Schätzen hatten sie damals gesucht?
    »Von nun an werdet Ihr sie die Hudson Passage nennen«,erklärte Hudson hochmütig, »denn ich werde sie finden.«
    Der Mann hat

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