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Die Gewandschneiderin (German Edition)

Die Gewandschneiderin (German Edition)

Titel: Die Gewandschneiderin (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Doris Niespor
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Wahl meines Sohnes. Weiß Gott, mit welchem Zauber du ihn belegt hast. Ich finde immer noch” - sie warf Heinz einen scharfen Blick zu -, “ Helene wäre die bessere Wahl gewesen.” Martha seufzte. “Aber den Umständen entsprechend ist es wohl besser, wenn wir uns kennenlernen.”
    Anna wusste nicht, was sie darauf antworten sollt e, also nickte sie nur ergeben.
    Heinz ’ Mutter trat an den Tisch. Da erst sah Anna sich in der Stube um. Alles war deutlich größer als in ihrer eigenen Schlafkammer, und Martha hatte gleich vier gepolsterte Stühle um den Tisch stehen! Kein Wunder, dass Heinz’ Mutter sich eine andere Frau für ihren Sohn gewünscht hatte. Die beiden gehörten offensichtlich zu den angesehensten Bürgern der Stadt.
    “Lasst uns alle Bedenken vergessen und mit einem Umtrunk auf bessere Tage anstoßen”, schlug Martha vor und reichte Anna und Heinz je ein Glas, bevor sie selbst ein drittes ergriff.
    “Auf euch und eine gelungene erste Nacht!”
    Anna hob das Glas an die Lippen wie die beiden anderen auch, aber sie hatte heute, ganz gegen ihre Gewohnheit, schon einige Becher Bier getrunken, und der Geruch des Weines stieß ihr sauer auf. Doch sie wollte nicht unversöhnlich erscheinen und tat so, als nippe sie an dem Getränk. Mit fahrigen Bewegungen leerte Heinz sein Glas zur Hälfte.
    Martha lächelte Anna an. “Komm, ich habe etwas für dich.” Sie stellte ihr Glas auf den Tisch und trat zu einem Schrank am Fenster. Anna folgte ihr.
    Das Licht der Abendsonne fiel durch die grünen Glasfenster und tauchte Martha in ein unwirkliches Licht. Sie kramte im Schrank und überreichte ihrer Schwiegertochter zwei kleine Geschenke.
    “ Der Fingerhut ist ein Erbstück aus unserer Familie. Und den Stechring habe ich für dich anfertigen lassen.”
    Anna nahm die kleinen Werkzeuge entgegen und war gerührt. Ein Fingerhut mit fein geritztem Muster aus Blumen leuchtete auf. Sie steckte ihn an - er war wie für sie gemacht. Auch der Ring passte wie angegossen.
    “Danke, das ist sehr großzügig …” Sie suchte Heinz’ Blick und sah die Erleichterung in seinen Zügen.
    “Ich bin froh, dass wir uns ausgesprochen haben. Und nun will ich euch nicht länger aufhalten. Sicher drängt es euch, ins Brautbett zu kommen. Ich werde nicht dabei sein, ich bin müde. Lasst uns austrinken.”
    “Mutter …” Heinz nahm die alte Frau am Arm, und Anna hörte noch die ersten Worte, bevor er seine Stimme zu einem Flüstern senkte. “Danke, dass du sie endlich …”
    Anna wandte sich wieder dem Tisch zu. Welches Glas war für sie bestimmt gewesen? Das halb geleerte war es nicht. Diese Becher aus Glas sahen sich zum Verwechseln ähnlich. Das da, das war wohl das ihre. Anna nahm es in die Hand.
    Was Heinz ihr ins Ohr geflüstert hatte, schien seine Mutter erfreut zu haben. Geradezu übermütig und mit roten Flecken auf den weiß en Wangen trat sie an den Tisch.
    “Leert eure Gläser und dann ab ins Brautbett !“, rief sie. „Und schenkt mir Enkel!” Als Heinz lachte, zwinkerte sie sogar und leerte den Becher in einem Zug. Anna war so erleichtert, dass sie es ihr nachtat. Der Wein schmeckte besser, als er gerochen hatte. Sie musste nur noch die erste Nacht hinter sich bringen, dann würde alles gut werden.
     
    Anna fühlte sich unwohl in dem langen Nachthemd vor den vielen Gaffern. Fanny hatte das Bett mit einem strahlend weiß gebleichten Laken bezogen und sich dann kichernd zu den anderen gesellt. Gut, dass Heinz so wohlhabend ist, dachte Anna, so haben wir wenigstens Vorhänge am Bett. Sie zog die Decke bis zum Busen herauf. Heinz schlüpfte in seinem Schlafhemd unter die Decke. Mägde und Freunde von Heinz und seiner Mutter standen mit in der Kammer, tranken und lachten. Sie würden den Vollzug der Ehe bezeugen.
    “ Schließ den Vorhang!”, bat Heinz. Seine Stimme klang rau. Anna schluckte und tat, wie ihr geheißen. Alle Frauen machten das durch, warum war sie nur so ängstlich? Sie hätte darauf vorbereitet sein müssen, aber als sie Heinz’ Lippen am Hals und eine Hand auf der Brust spürte, zuckte sie zusammen und wurde steif wie ein Brett. Der Druck der Hand ließ nach, auch die Lippen am Hals bewegten sich nicht mehr. Sie schalt sich eine dumme Kuh und sprach sich selbst gut zu. Warum stellte sie sich nur so an?
    “Es ist gut, mach weiter” , flüsterte sie. Doch Heinz antwortete nicht.
    Hatte sie ihn beleidigt?
    “Heinz? Heinz!” Statt einer Antwort vernahm sie ein lautes Geräusch. Heinz war

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