Die Gewandschneiderin (German Edition)
Entschluss und eilte hinter Heinz her.
“Heinz …?”
Er wandte sich um und sah sie an, wortlos, aber lächelnd.
“Ja, ich sage J a”, stieß sie hervor.
Heinz stieß einen J auchzer aus und drückte ihre freie Hand an die Brust.
“Wie wundervoll!”
Wie erleichtert war sie, dass sich Heinz durch ihr Jawort zu keiner Vertraulichkeit ermutigt fühlte! Er hauchte ihr nur einen Kuss auf die Wange und nahm ihre Hand. So schlenderten sie zurück zum Lager, wo die beiden Näherinnen bereits fest schliefen. Lina lag teils aufgedeckt, und der halbe Busen war bar, aber das störte Anna nicht. Heinz gehörte ihr.
Heinz lenkte das Fuhrwerk mit großem Geschick über das holperige Pflaster. Die Häuser zu beiden Seiten waren mehrere Stockwerke hoch und wirkten noch stattlicher als in Münster. Viele der Häuser besaßen Fenster wie das des Ratsherrn in Jever, und bei dem schönen Wetter waren die Läden weit geöffnet. Schließlich bog das Gefährt in eine breite Einfahrt ein. Das also war ihr neues Zuhause! An das große Steinhaus schlossen sich einige Holzhütten an, die als Ställe, Stofflager und Werkstätten dienten, wie Heinz ihr erklärte. Der Wagen hielt, Heinz sprang vom Bock und half Anna beim Absteigen. Sie lächelte ihn an. Sicher würde es ihr hier gut ergehen.
“Fanny!” Die Hoftür des Haupthauses öffnete sich, und eine Magd trat heraus. Die Schürze über dem rundlichen Leib war fleckig und duftete nach Bratenfett.
“Herr Heinz, da wird die Frau Mutter sich freuen !” Bei diesen Worten zuckte Heinz zusammen.
“Fanny, bitte zeig den beiden Frauen ihre Kammern über dem Stall“, ordnete er an. „Sie werden als Näherinnen für mich arbeiten.”
Die Frau warf Anna einen abschätzigen Blick zu. “Und was ist mit der? Soll sie auch in den Stall?”
Heinz trat ganz dicht an die Magd heran und flüsterte, doch so laut, dass es deutlich zu hören war. “ Die da , wie du sie nennst, wird deine neue Herrin. Besser, du stellst dich gut mit ihr.”
Fanny erbleichte und wischte sich die Hände an der Schürze ab . Schließlich hob sie den Rock eine Handbreit und beugte kurz das Knie.
“Ver zeiht, Frau, ich wusste … ich wollte …”
“Schon gut.” Anna lächelte. “ Wie hättest du das wissen sollen?”
Fanny seufzte erleichtert und fuhr auf die Näherinnen los. “Was steht ihr herum und haltet Maulaffen feil? Packt euer Zeug und folgt mir, ich habe nicht den ganzen Tag lang Zeit.“
Die Köchin hatte den gleichen Ton am Leib wie die alte Rahardta . Anna lächelte. Sie würden sich sicher gut verstehen.
“Gefällt es dir?” , fragte Heinz freundlich, doch er wirkte angespannt.
“Ja, sehr.”
“Gut. Binde den Hund am Stall fest, dann zeige ich dir deine Kammer.”
Anna beeil te sich, Bär anzuleinen, denn sie brannte darauf, ihr neues Zuhause zu besichtigen. Die Diele war heller als alle Flure, die Anna je gesehen hatte. Aus den offenen Türen fiel Licht, und ein großer Leuchter mit Wachskerzen wie in der Kirche warf zusätzlich warme Lichternester auf die steinernen Wände. Einige Flächen waren mit wärmenden Teppichen behängt, und angesichts der Unzahl von Türen und Nischen schwindelte Anna. Das Haus schien ihr so groß wie das Hauptgebäude des Klosters.
“Wer wohnt denn hier alles?”, fragte sie.
“Nur Mutter, ich und die Dienstleute. Und von nun an natürlich du!”
Heinz ging so schnell, dass Anna kaum Schritt zu halten vermochte. Schließlich blieb er vor einer Tür stehen.
“ Dies ist bis zur Hochzeit dein Reich”, erklärte er und stieß die schwere Tür auf. Anna gingen die Augen über. Ein prächtiges Bett stand mitten im Raum, und es gab eine eigene Feuerstelle! Ein geschnitzter Stuhl mit gepolstertem Sitz, einer Königin würdig, lud zum Verweilen ein. Und das Fenster! Es bestand aus kleinen grünen Scheiben, wie sie sie in Münster an den Häusern der Reichen gesehen hatte. Farbiges Tageslicht fiel in die Stube und zauberte leuchtende Kringel auf den Boden.
“Hier soll ich wohnen?” , hauchte Anna.
“Gefällt es dir nicht?” Heinz wirkte verdutzt, aber Anna beruhigte ihn sogleich.
“ Oh, es ist wunderbar …”
“Gut, ich muss zu meiner Mutter und ihr Bericht über meine Verkäufe erstatten. Wir sehen uns dann beim Mahl.”
Bevor Anna antworten konnte, war er auch schon zur Tür hinaus.
War die genähte Matratze mit roher Wolle gefüllt? Immer wieder setzte sich Anna aufs Bett, um gleich danach aufzuspringen und die Einrichtung ihrer
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