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Die Gewandschneiderin (German Edition)

Die Gewandschneiderin (German Edition)

Titel: Die Gewandschneiderin (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Doris Niespor
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die Tür hinter sich zu und setzte sich auf den gepolsterten Stuhl. Allmählich kam sie wieder zu Atem, und als Heinz schließlich anklopfte, saß sie ruhig lächelnd auf dem Stuhl, als hätte sie dort auf ihn gewartet.
    “Und?” Anna sah ihn fragend an. “Hast du deiner Mutter Bericht erstattet? Was sagt sie zu mir - zu uns?”
    Heinz seufzte, blass und müde sah er aus. “Begeistert war sie nicht. Aber sie wird sich daran gewöhnen. Vielleicht solltest du ein e Weile mit dem Gesinde essen.”
    Anna s tarrte ihn mit großen Augen an. “Und du? Isst du auch dort?”
    Er nestelte an seinem Gürtel. “Ich leiste ihr Gesellschaft. Es ist doch nicht für lange.
    Anna schluckte, dann nickte sie. “Gut, bis sie sich an mich gewöhnt hat.”
     
    Die edlen Speisen und die Becher aus Glas waren Anna immer noch nicht vertraut. Obwohl sie mit dem Gesinde in der Küche gegessen hatte, hatte ihr Fanny immer die besten Stücke gereicht, und sie hatte als Einzige vom Geschirr der Herrschaft gespeist. Anfangs hatten die anderen sie neidisch beäugt, dann, nach einer Weile, nur noch mitleidig. Und inzwischen war sie eine von ihnen, denn sie teilte ihre Sorgen und Späße Tag für Tag. So war es nicht verwunderlich, dass das ganze Haus heute summte wie ein Bienenstock. Es wurde Hochzeit gefeiert!
    Der Wein floss reichlich, das Bier zeigte Wirkung, und alle waren gelöst und fröhlich. Das warme Spätfrühlingswetter tat ein Übriges, ein jeder vergnügte sich. Einzig Heinz und Anna saßen auf der Bank vor der festlichen Mahlzeit und konnten sich nicht recht freuen. Martha, Heinz’ Mutter, hatte Anna in der Zeit vor der Hochzeit kein einziges Mal zu sich gebeten, als habe sie immer noch gehofft, dass Anna einfach verschwand. Selbst an einem Tag wie diesem ließ sie sich nicht blicken. Heinz war kein Vorwurf zu machen, er hatte alles versucht, um Anna seiner Mutter näherzubringen. Vergeblich. Lange hatte sie krank zu Bett gelegen, und als sie endlich wieder aufgestanden war, hatte sie sich geweigert, im Geschäft zu helfen. So hatte Anna ihre Stelle eingenommen, was ihr nur recht war. Je mehr sie arbeitete, umso weniger Zeit blieb für trübe Gedanken. Doch Heinz war so blass und sah so traurig aus, dass Anna ihm schon zweimal angeboten hatte, die Verlobung zu lösen. Aber er hatte abgelehnt. Bedrückt kaute Anna auf einer Hühnerkeule herum. Sie war zart und gut gewürzt, aber die Bissen blieben der Braut in der Kehle stecken.
    Plötzlich eilte Fanny herbei und flüsterte Heinz etwas ins Ohr. Jäh schoss ihm die Röte in die Wangen, und er sprang auf.
    “Komm, Liebste ! Mutter möchte dich sehen.”
    Anna sandte ein stummes Dankgebet zum Himmel , während sie Fanny flüchtig umarmte.
    “Ich freu mich, dass du da bist . So kommt ein wenig Frohsinn ins Haus”, flüsterte die Magd. “Kinderlachen wär schön, wenn du es einrichten kannst”, fügte sie hinzu. “Und nun beeil dich, Frau Martha wartet nicht gern …”
     
    Annas Herz pochte so laut, dass sie fürchtete, jeder könne es hören. Endlich konnte sie Heinz’ Mutter zeigen, dass sie die Richtige für ihren Sohn war. Sicher, sie hatte die Hausherrin einige Male vorbeigehen sehen, aber Martha war nie stehen geblieben, um sie anzusprechen, und ihr selbst hatte es nicht zugestanden, als Erste das Wort zu ergreifen. Also hatte sie Tag um Tag gewartet, dass sich etwas änderte. Und heute war es so weit. Heinz schien das Gleiche zu denken.
    “Siehst du, nun, da es endgültig ist, lenkt sie ein, wie ich es vorausgesagt habe”, raunte ihr Heinz zu.
    Anna nickte nur. Sie hatte nicht mehr geglaubt , dass seine Mutter nachgeben werde, und so erlöst, wie Heinz aussah, war er wohl auch nicht gänzlich überzeugt gewesen. Aber das war inzwischen gleichgültig. Martha wollte sie kennenlernen, nur das zählte.
    Da war die Tür! Nach dem ersten Klopfen wurden sie sofort hineingebeten - Martha erwartete sie schon.
    Anna erhaschte e inen kurzen Blick auf das kostbare Gebende, neben dem die faltigen Wangen weiß hervorquollen, und auf die unnatürlich roten Lippen, dann senkte sie den Blick und zeigte den heimlich geübten Knicks. Erst als sie angesprochen wurde, hob sie den Blick wieder und lächelte die Schwiegermutter an. Heinz stand neben Martha und nickte ihr aufmunternd zu - der Knicks schien ihm gefallen zu haben.
    “Du bist also Anna.”
    Wurde eine Antwort erwartet? Wohl kaum, denn schon fuhr die alte Frau fort.
    “Ich will ehrlich sein. Erfreut war ich nicht über die

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