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Die Gewürzhändlerin

Die Gewürzhändlerin

Titel: Die Gewürzhändlerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Schier
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obgleich dort die Konkurrenz sicherlich am größten sein und es ihm schwermachen würde, als Fremder Fuß zu fassen.
    Vielleicht sollte er sich lieber eine kleinere Stadt suchen – für den Anfang. Und noch etwas musste er tun. Matthäus Ibn Maternus Ibn Radulf war sowohl in Edessa als auch in Konstantinopel und allen Städten dazwischen ein angesehener Name. In jenen Landen am Rhein, so fürchtete Matthäus, wäre der arabische Klang jedoch vermutlich nicht gerade förderlich. Deshalb hatte er beschlossen, seinen Namen zu ändern und sich nach jenem Geschlecht zu nennen, dem sein Großvater – wenn auch nur als unehelicher Sohn – entstammte.
    Matthäus Wied
. Der ungewöhnliche Klang beschäftigte seine Gedanken, sodass er zunächst gar nicht bemerkte, dass einer seiner Männer kehrtgemacht hatte und auf ihn zugeritten kam.
    «Herr?» Der kleine, drahtige Knecht zog sich das Tuch vom Gesicht, mit dem er sich vor dem feinen Sandstaub schützte, den der Wind seit dem Morgen vor sich hertrieb. «Warum habt Ihr angehalten? Gibt es ein Problem?»
    Matthäus riss sich vom Anblick der Stadt los und schüttelte den Kopf. «Nein, Ahmet, es ist alles in Ordnung. Ein bisschen Wehmut hat mich wohl gerade überkommen. Ich weiß nicht, ob ich Konstantinopel oder die Stätten meiner Kindheit und Jugend jemals wiedersehen werde.»
    Ahmet nickte verständnisvoll. «Ihr habt einen langen Weg vor Euch, Herr. Ich würde Euch ja begleiten, wenn …»
    «Nein, Ahmet. Du und die anderen Männer bleiben hier. Ich kehre zurück in das Land meiner Väter, es reicht, wenn einer von uns seine Heimat verlassen muss.» Matthäus warf noch einen letzten Blick auf Konstantinopel, dann schnalzte er und wendete sein Pferd. Die Kette, die er noch immer umfasst hielt, schob er sorgsam unter sein Hemd zurück. «Komm, Ahmet, wir sollten uns beeilen, damit wir die Karawane noch rechtzeitig erreichen.»

[zur Inhaltsübersicht]
1. Kapitel
    Koblenz, 1. September, Anno Domini 1351
    A ch du liebe Zeit, Luzia, sieh dir das an!» Elisabeth von Manten deutete missbilligend auf die lange Schlange, die sich vor dem Stand des Pastetenbäckers gebildet hatte. Die beiden Frauen hatten gemeinsam die wichtigsten Einkäufe auf dem Koblenzer Wochenmarkt getätigt und den Knecht Wilbert bereits mit zwei vollen Körben nach Hause geschickt. Nun folgte ihnen noch Luzias Bruder Anton, der ebenfalls bereits einiges an Lebensmitteln in einem Korb vor sich hertrug. «Da warten wir ja ewig», beschwerte Elisabeth sich weiter, steuerte aber dennoch auf das Ende der Schlange zu. Als sie bemerkte, dass ihre Magd ihr nicht folgte, drehte sie sich zu ihr um. «Luzia? Hast du mich gehört?»
    «Hm?» Zögernd wandte sich Luzia ihrer Herrin zu und kam mit abwesendem Blick ein paar Schritte näher.
    Elisabeth blickte sie aufmerksam an. «Stimmt etwas nicht?»
    Entschlossen riss sich Luzia zusammen und bemühte sich, die merkwürdige Empfindung zu ignorieren, die sie gerade überkommen hatte. «Verzeihung, Herrin, ich war nur gerade …»
    «In Gedanken, das habe ich gesehen», ergänzte Elisabeth und lächelte.
    «Nein», entgegnete Luzia verlegen. «Ja, das heißt … Ich dachte gerade …» Unwillkürlich fasste sie an die Stelle, an der unter ihrem Umhang das silberne Kruzifix verborgen war, das sie schon seit zwei Jahren an einer Kette um den Hals trug. Das Kreuz bestand aus zwei Teilen, einem mit roten und blauen Edelsteinen besetzten Rahmen und dem schlichten Kruzifix selbst. Vor drei Jahren, als Luzia in Elisabeths Dienst getreten war, hatten sie festgestellt, dass sie beide im Besitz jener beiden Teile der Reliquie waren, die ihre Ahnväter auf dem Kreuzzug erbeutet hatten: Vermutlich ein Teil des legendären Gralsschatzes, wie sie mittlerweile von Elisabeths Beichtvater Georg erfahren hatten. Selbstverständlich wusste außer ihnen niemand davon – auch nicht, dass das Kruzifix seltsame Fähigkeiten besaß.
    Seit sie die beiden Teile wieder zusammengefügt hatten, war Luzia hin und wieder in der Lage, in Träumen kurze Einblicke in zukünftige Geschehnisse zu erhalten. Auch leuchtete das Kruzifix gelegentlich, summte und vibrierte, wenn es auf eine bevorstehende Gefahr aufmerksam machen wollte. Sie hatte inzwischen gelernt, diese Fähigkeiten zu nutzen. Seit sie jedoch vor zwei Wochen in Koblenz eingetroffen waren, glaubte Luzia manchmal, ein leichtes Vibrieren unter der stets ungewöhnlich warmen Oberfläche des Kreuzes zu spüren. Eben war es wieder da gewesen –

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