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Die Gezeiten von Kregen

Die Gezeiten von Kregen

Titel: Die Gezeiten von Kregen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alan Burt Akers
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und der Anblick tat mir weh. Wie lange war es her, wie töricht benahm ich mich! Fünfzig Jahre – aber dann kehrte ein wenig von meiner Entschlossenheit zurück, als ich daran dachte, daß mir ja einundzwanzig von diesen Jahren durch die Everoinye entrissen worden waren. Mayfwy griff schließlich lachend nach einem Weinkelch und reichte ihn mir, und ich sah den Ausdruck des Schmerzes in ihren Augen.
    »Dray, es gibt soviel zu erzählen!«
    »Aye.«
    »Aber zuerst eine Nachricht, die dich freuen wird – eine seltsame Neuigkeit von uns hier ...«
    Da wußte ich Bescheid.
    »Delia! Sie hat dich besucht? Du hast sie gesehen?«
    Ein Schatten legte sich auf Mayfwys schmales Gesicht, dann hob sie stolz das Kinn und lächelte.
    »Ja, Delia war hier. Sie suchte nach dir.«
    Ich sah sie an und konnte meine Erleichterung offenbar nicht verbergen, denn Mayfwy fuhr fort: »Ja, sie hat die Stratemsk sicher überquert. Ein Untier war bei ihr, ein schreckliches Ungeheuer, das einen Leem in Stücke reißen könnte. Meine Männer waren sehr nervös, bis Delia sie beruhigte.«
    »Melow die Geschmeidige.«
    »Ja. So hieß sie.«
    »Sie tut dir nichts, Mayfwy. Aber erzähl mir von Delia!«
    Wie dumm das alles war, meine Worte, mein ganzes Verhalten!
    »Du behandelst die Frauen grausam, mein Lord von Strombor.« Mayfwy schwieg einen Augenblick lang und hob ihren Kelch. »Du sagst, du liebst sie, läßt sie aber im Stich, viele Jahre lang. Soll ich dich jetzt Prinz Majister nennen? Oder gar König?«
    »Nenn mich Dray Prescot, wie immer. Nicht aus eigenem Entschluß habe ich Delia – oder dich – verlassen, ohne mich zu verabschieden. Es gibt düstere, böse Kräfte in meinem Leben – aber genug davon. Geht es Delia gut? Hat sie von den Kindern gesprochen? Wohin ist sie geflogen? Sag es mir, Mayfwy, beim Namen meines lieben Freundes und Ruderkameraden Zorg!«
    »Zorg«, wiederholte sie und trank einen Schluck. »Es geht ihr gut, und dasselbe sagte sie von den Kindern, die allerdings ziemlich wild seien – na, wir wissen ja, wie lebhaft Kinder sind.«
    »Verzeih«, sagte ich hastig – ich, der ich mich nie entschuldigte, es sei denn bei Delia. »Der junge Zorg und Fwymay – es geht ihnen gut?«
    »Ja. Zorg ist Krozair von Zy, wie es sich gehört. Er ist Kapitän eines Ruderers. Seinen guten Start im Leben hat er in erster Linie dir zu verdanken, Dray.«
    »Unsinn! Ein Junge wie er würde immer seinen Weg gehen!«
    »Und Fwymay hat mich schon zweimal zur Großmutter gemacht! Sie hat Zarga na Rozilloi geheiratet, einen Krozairbruder, ein netter junger Mann. Er ist Krozair von Zimuzz.« Was nicht dasselbe war wie ein Krozair von Zy.
    Die Sonnen waren beinahe untergegangen. Wir betraten die Festung, ein Zimmer, in dem wir oft gesessen und geplaudert hatten. Der Raum wirkte unverändert, bis auf das große Porträt eines imposanten Mannes, das neu hinzugekommen war. Er trug die Insignien eines Krozair von Zimuzz – es mußte sich um Zarga handeln. Ich ignorierte Mayfwys Schwiegersohn und stellte mich vor das Bild Zorgs aus Felteraz. Mayfwy entfernte sich stumm. Ich starrte zu dem Bild empor und erinnerte mich an die Slums von Magdag und die harten Bänke des magdagschen Ruderers, an Zolta und Nath, ich erinnerte mich an die gemeinsam durchstandenen Qualen und Gefahren – und schließlich an Zorgs Tod im Gestank und Dreck des Schiffes. Ich erinnerte mich. Und als ich mich umwandte, hob Mayfwy die Hand an den Mund und sagte eine Zeitlang nichts. Vermutlich zeichneten sich meine Gefühle deutlich auf meinem häßlichen Gesicht ab.
    Dann brach es aus ihr hervor, als könnte sie nicht anders: »Ich hatte einmal die Hoffnung, dein Bild dort aufzuhängen, Lord von Strombor.«
    Ich schüttelte nur den Kopf, und sie begann zu weinen.
    Später reichte ich ihr einen frischen Kelch Wein und wischte ihr die Tränen vom Gesicht – sie trug kein Make-up und brauchte es auch nicht. »Ich muß Delia finden«, sagte ich. »Das weißt du. Dies ist ein Wunsch, dem ich mich nicht widersetzen kann – oder will. Solange ich nicht weiß, ob sie in Sicherheit ist, komme ich nicht zur Ruhe.«
    »Das verstehe ich. Verzeih mir, daß ich es ausgesprochen habe – verzeih mir die Tränen.«
    Später kehrte das Gespräch in ruhigere Bahnen zurück, und nach einem vorzüglichen Mahl mit köstlichem Zondwein stand ich auf.
    »Du willst schon weiter? So schnell?«
    »Wenn ich meine Delia gefunden habe, kehren wir zurück. Mayfwy, ich werde mich nicht wieder so dumm

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