Die Gezeiten von Kregen
worden war, denn man wollte nicht von der Belieferung mit Vollern ausgeschlossen werden. Beispielsweise weigerte sich Hamal, seine Voller nach Pandahem oder Loh zu verkaufen – ein Mangel, der sich dort schon oft katastrophal ausgewirkt hatte.
Ich wünschte Hamal samt Herrscherin Thyllis, bei der ich noch eine Rechnung offen hatte, zu den Eisgletschern von Sicce und konzentrierte mich wieder auf den Flug. Vorsichtig änderte ich den Kurs in Richtung Sanurkazz.
Wie oft hatte ich mir das Versprechen gegeben, eines Tages zum Auge der Welt zurückzukehren! Und wie oft hatte sich das Schicksal dieser Absicht in den Weg gestellt, so oder so! Ich hatte vorgehabt, einen frohen Urlaub dort zu verbringen, in Gesellschaft Delias und meiner Familie, um die Schauplätze meines Lebens als Krozairkapitän wiederzusehen und alte Freunde zu besuchen. Jetzt kam ich in dringender Mission und voller Verzweiflung, wußte ich doch nicht, ob Delia in Gefahr schwebte.
Mein Plan war einfach. Ich wollte zuerst in Sanurkazz landen, der größten Stadt der Zairer, um dort Informationen zu sammeln. Gab es nichts zu erfahren, wollte ich nach Zy weiterfliegen, zu der Inselfestung meiner Krozairbrüder, des Ordens, auf dessen Mitgliedschaft ich so stolz war.
Der Flug hatte fast drei Tage gedauert. Ich hatte den Kurs so direkt angelegt, wie mir das mit einem Kompaß nur möglich war. Über Land und Meer hätte ich für die Strecke viele Monate gebraucht. Als sich das Terrain unter mir eröffnete und die ersten Anzeichen für eine landwirtschaftliche Bebauung sichtbar wurden, spürte ich einen neuen Anflug von Gereiztheit und Angst.
Ich redete mir ein, Delia wäre hierhergeflogen, weil sie schlechte Nachrichten über Segnik erhalten hatte – der sich nun Zeg nannte. Diese und ähnliche Überlegungen hatte ich mir bisher aus dem Kopf geschlagen. Aber gab es denn überhaupt eine andere Erklärung? Oft hatte ich mit Delia über die Ausbildung unserer Kinder gesprochen. Sie wußte, daß ich Drak und später Segnik den Krozairs von Zy anvertrauen wollte, deren Ausbildung die allerbeste auf dieser Welt war. Ich hatte darauf hinwirken wollen, den Haß gegen die Grodnim von der Nordküste abzubauen. Sie wissen, daß ich die Oberherren Magdags und die anderen Grodnim der Südküste haßte. Doch ich glaubte inzwischen reif genug zu sein, um dieses Gefühl in der richtigen Perspektive zu sehen. Mehr als einmal hatte ich in letzter Zeit grüne Kleidung getragen und mich in Freundschaft Personen genähert, die das Grün und die verwandten Religionen verehrten. Dies war die innere Kraft, die von den Krozairs von Zy ausgeht – geistige Unterweisung, Waffengeschick, eine Erkenntnis des Ich – alles mystische Disziplinen, die mich davon überzeugten, daß die Zukunft meiner Söhne bei diesem Orden lag.
Was die Religionen Kregens anging, so sollten meine Kinder im Geiste der lebensbejahenden Lehren von Opaz aufwachsen, der Verkörperung der Unsichtbaren Zwillinge. Das Können, die Kräfte, die Selbstbeherrschung, die mystische Selbsterkenntnis des Krozairs war nur hier am Auge der Welt zu finden. Ein Krzy zu sein, ist ein kostbares Geschenk.
Aber auch mehr irdisch orientierte Freunde hatte ich hier gewonnen. Ich wollte Nath und Zolta wiedersehen, meine beiden Trinkkumpanen, meine Rudergefährten. Bei Zair! Wir wollten in Sanurkazz mal wieder richtig auf die Pauke hauen! Und dann galt es Pur Zenkiren zu besuchen, jenen aufrechten, ernsten, doch fairen Krozair, der mein Freund war und der inzwischen längst zum Ersten Abt berufen sein mußte, war doch Pur Zazz, der Ordensführer, schon damals sehr alt gewesen.
Und nicht zu vergessen Mayfwy. Meine freudige Stimmung wurde gedämpft, als ich meines Ruderkameraden Zorg von Felteraz gedachte. Er war unter den Peitschen magdagscher Deldars gestorben. Seine Witwe Mayfwy, ihr Sohn Zorg und ihre Tochter Fwymay hatten Nath, Zolta und mich in Felteraz gastlich bewirtet. Ja, gern sah ich Mayfwy wieder!
Es gab also viele Orte, so viele Menschen zu besuchen. Aber als erstes mußte ich mich vergewissern, daß es Delia gut ging. Der Rückblick war qualvoll. Einundzwanzig Jahre!
Da die Kreger zweihundert Jahre oder länger leben, verändern sie sich nach Erreichen der körperlichen Reife nur langsam. Vor meinem inneren Auge stand ein Bild von Delia, das sich in diesem Zeitraum nicht wesentlich geändert haben konnte. Trotzdem war meine Sehnsucht übermächtig – und mein Haß auf die Herren der Sterne, die so unbarmherzig
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