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Die Gezeiten von Kregen

Die Gezeiten von Kregen

Titel: Die Gezeiten von Kregen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alan Burt Akers
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und selbstherrlich in mein Leben eingriffen!

10
     
     
    Schimmernd erstreckte sich das Auge der Welt vor mir. Die Zwillingssonne Antares hing am westlichen Himmel und überschüttete das Meer mit Farbe und Licht. Die Luft roch süßlich. An der Küste unter mir bildeten die Felder ein sauberes Schachbrettmuster. Vor mir ragten die Zinnen der Stadt Sanurkazz empor, die den Bauern dieses Landstriches Schutz bot. Weiter vorn machte ich die kleinere Festung Felteraz aus.
    Diese Burg war in die Küstenfelsen gebaut worden. Erinnerungen an das herrliche Panorama von den oberen Terrassen kamen mir in den Sinn. Als sich der Voller den grauen Befestigungsanlagen näherte, kam mir plötzlich ein Gedanke, der mir sehr zusagte. Ich bewegte die Hebel, die das Flugboot durch die klare Luft abwärts gleiten ließen.
    In den Ländern am Binnenmeer gab es keine Abwehr gegen Flugattacken, denn hier waren Flugarmeen und Sattelvögel unbekannt – ganz im Gegensatz zu den Unwirtlichen Gebieten, deren Städte von Abwehrnetzen förmlich strotzten. So konnte ich ungehindert landen und betrat eine Plattform unmittelbar unter der höchsten Terrasse von Felteraz. Menschen eilten herbei; sie waren entsetzt über den Mann, der da vom Himmel gefallen war. Viele schienen sogar anzunehmen, ich sei ein Abgesandter Zims.
    Gebräunte Gesichter umgaben mich. Das Symbol auf den weißen Mänteln der Soldaten kannte ich: in einem rotgoldenen Lenkblattumriß befanden sich zwei gekreuzte Galeerenruder, die durch ein senkrechtes Langschwert geteilt wurden. O ja, dieses Symbol hatte ich als Krozairkapitän auf dem Auge der Welt getragen.
    Die Gesichter aber waren mir völlig fremd.
    Die Spitze eines Langschwerts verharrte eine Handbreit vor meinem Brustbein.
    »Dein Name und Begehr, Dom!«
    »Ich heiße Dray Prescot. Ich möchte zur Lady Mayfwy von Felteraz.«
    Erst in diesem Augenblick fiel mir ein, daß Mayfwy ja vielleicht gar nicht mehr lebte – doch zu meiner Erleichterung nickte der Mann nach kurzem Zögern.
    »Lady Mayfwy ist zu Hause. Ich glaube, ich habe von dir gehört, Herr – von meinem Vater.«
    Er blickte mich zweifelnd an, ohne das Schwert zu senken. Damit hätte er seine Pflichten auch grob vernachlässigt. Von seinem Vater! Nun, nach irdischer Zeitrechnung lag mein letzter Besuch tatsächlich fünfzig Jahre zurück.
    Der Wächter schickte einen Swod zu seiner Herrin und bewachte mich weiter. Die Neugierigen, darunter zahlreiche Frauen und Kinder, bildeten einen respektvollen großen Ring um den Voller. Plötzlich gab es Bewegung, eine Gasse wurde gebildet. Eine Frau erschien, einen langen Silberstab in der Hand, den sie aber nicht brauchte, um sich einen Weg zu bahnen. Ich kannte sie nicht. Ich starrte auf das Mädchen – die Frau –, die ihr durch die Menge folgte.
    Sie wirkte irgendwie verändert. Auf ihrem hübschen Gesicht lag ein mir unbekannter Ernst, eine Schicksalsergebenheit, eine Resignation, die mir weh tat. In allem anderen war sie aber noch dasselbe lebhafte, energische, elfenhafte Mädchen, das Zolta, Nath und mich damals in Felteraz willkommen geheißen hatte. Ihr lockiges dunkles Haar schimmerte im Licht der Sonnen, ihre Stupsnase war keck hochgereckt, und die schmalen, weichen, sinnlichen Lippen hatten zu zittern begonnen. Ihre Augen waren geweitet – ihr Blick traf mich ins Herz, ein Blick des Schmerzes und der Freude.
    Ohne Zögern lief sie auf mich zu und hob die Arme.
    »Dray! Oh, Dray, du bist wieder da!«
    Dann lag sie in meinen Armen und preßte sich an mich, ich blickte über ihre Schulter, ihr Duft stieg mir in die Nase, und ich spürte ganz Kregen auf meiner Seele lasten und schalt mich den bösesten aller Teufel – was ich ja auch war.
    Sie weinte nicht. Obwohl sie fast zu bersten schien vor Gefühl, wollte sie sich vor ihrem Volk keine solche Blöße geben. Sie trat zurück, faßte meine Hände und betrachtete mich. Ich sah die Tränen in ihren Augen, das Beben ihrer Lippen.
    »Du hast dich nicht verändert, mein Lord vom Strombor.«
    »Und du auch nicht«, antwortete ich. »Mayfwy, du bist noch dasselbe liebe Mädchen!«
    »O nein. Nein, das weiß ich besser.« Sie wandte sich an die Frau mit dem Silberstab. »Wir gehen auf die Terrasse, Sheena, und wollen dort ungestört sein. Bring uns Erfrischungen, Zondwein, für Pur Dray, den Lord von Strombor.«
    »Sofort, Lady.«
    Und so saßen wir uns allein auf der Terrasse gegenüber, umspielt von den Strahlen der untergehenden Sonnen. Ich betrachtete die Frau,

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